Guten Tag,
mit einer Mischung aus Motivation und Resignation folge ich dem Aufruf des Verbandes Kita-Fachkräfte in Rheinland-Pfalz, ein Statement zur aktuellen Corona-Lage in den Kitas abzugeben.
Seit sechs Jahren bin ich als Erzieherin tätig, entsprechend viele Berufsjahre liegen noch vor mir. Täglich frage ich mich, wie lange ich diesen Job noch ausüben will.
Die Familien stehen ständig unter dem gesellschaftlichen Druck, alles (Beruf, Haushalt, Kinder) unter einen Hut bekommen zu müssen. Das bekommen wir als Kita seit Jahren zu spüren: Kinder müssen schnell eingewöhnt sein, müssen gesund bleiben (oder eben krank/mit Fieberzäpfchen in die Kita), müssen sich problemlos entwickeln, müssen genug lernen, müssen funktionieren.
Aber Kinder ab einem Jahr funktionieren nicht einfach so. Sie brauchen jede Menge Empathie, Geduld, Impulse und Zeit, um sich gut zu entwickeln. 7 Stunden beträgt mittlerweile der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz in Rheinland-Pfalz. Damit verbringen die meisten Kinder den Großteil ihrer wachen Zeit in der Kita. Wer diese Zahlen kennt, dem sollte klar sein, wie wichtig gute Bedingungen für unsere Jüngsten sind!
Bildung in der Kita ist unter den aktuellen Bedingungen unmöglich geworden und der Alltag besteht daraus, Personallücken zu stopfen, die Aufsichtspflicht irgendwie zu gewährleisten und die sich ständig ändernden Verordnungen zu durchschauen und bei den Eltern zu vertreten, so absurd sie auch sein mögen.
Hören Sie auf zu betonen, dass frühkindliche Bildung so wichtig ist für Kinder und deshalb die Kitas geöffnet bleiben müssen. Es geht Ihnen doch allein um die Wirtschaft und damit zusammenhängend um die Erwerbstätigkeit der Eltern! Wäre Ihnen die frühkindliche Bildung wirklich wichtig, würden Sie uns Erziehern deutlich mehr Gehör schenken und nicht all unsere Forderungen konsequent ignorieren und die Umstände die wir anprangern schönreden!
So auch geschehen mit der neuen Corona-Verordnung für die Kitas in RLP. Warum machen es denn die meisten Bundesländer anders, wenn das alles ja eine so gute Idee ist?
Es ist mir ein absolutes Rätsel, welches Ziel Sie verfolgen, wenn Sie beschließen, dass Kinder nach einem einmaligen Test sofort wieder in die Kita dürfen, wenn ein positiver Fall vorausging.
Es ist hinlänglich bekannt, dass die Inkubationszeit bei mindestens vier Tagen, in vielen Fällen bei sieben Tagen oder mehr liegt. Was also soll damit erreicht werden? In meinen Augen wird dieser Weg keinem gerecht.
Haben Sie sich den Ablauf, wie er tagtäglich in unzähligen Kitas passieren wird, mal durch den Kopf gehen lassen? Ich gehe hier mal bewusst auf die Sicht der Eltern ein und nicht auf meine als Erzieher, die Ihnen ja ohnehin egal zu sein scheint.
Die Kita öffnet um 7.30 Uhr. Eltern bringen ihre Kinder bis 9 Uhr zu uns, gehen danach zum Großteil zur Arbeit.
Kind A ist nicht richtig fit, bleibt zu Hause. Mutter macht irgendwann im Lauf des Vormittags einen Schnelltest beim Kind, der positiv ausfällt. Also auf zur Teststation, auch dort ist der Test positiv. Es folgt ein Anruf in der Kita, diese muss augenblicklich alles stehen und liegen lassen, um alle Eltern abzutelefonieren und Kinder abholen zu lassen.
Aus Sicht der Eltern: Jeden Tag zittern, dass kein Anruf von der Kita kommt. Es könnte jederzeit so weit sein!
Aus Sicht des Kindes: Heute bin ich hier, aber vielleicht sind gleich wieder alle ganz aufgeregt und Mama muss mich früher abholen.
Dann zum Test, hoffentlich negativ, dann kann die Kita-Betreuung am nächsten Tag weitergehen. Bis zum nächsten Anruf…
Wäre es da nicht die viel bessere Alternative, vorzugehen wie viele andere Bundesländer auch? Die Kinder kommen morgens getestet und können dann auch in der Kita bleiben, sollte ein anderes Kind positiv sein?
Aus Sicht der Eltern: Mein Kind war heute beim Test und ist negativ, ich kann beruhigt zur Arbeit fahren und es regulär abholen.
Aus Sicht des Kindes: Heute spiele ich wieder mit meinen Freunden, später holt mich Mama ab und wir fahren nach Hause.
Da auch Ihnen bewusst sein dürfte, dass ein Test am Tag des Kontaktes zu einem Corona-infizierten absolut sinnlos ist, kommt es mir vor, als sei die Durchseuchung der Kitas politisch gewollt. Es muss Ihnen doch klar sein, dass die Kinder an Tag zwei, drei oder vier nach dem Kontakt ihrerseits weitere Menschen anstecken. Unter diesen Menschen sind selbstverständlich auch Erzieher. Und ja, auch wenn sie geboostert sind, können sie sich infizieren und Symptome entwickeln.
Und stellen Sie sich vor, auch Erzieher haben Familie. Und sie bringen (wie auch sonst alle möglichen und unmöglichen Infektionskrankheiten) Corona mit nach Hause. Mit zu ihren zu pflegenden Angehörigen, mit zum vorerkrankten Ehepartner, mit zum beeinträchtigten Kind. Mein großes Mitgefühl gilt allen Kollegen, die jeden Tag mit der Last leben müssen, dass es schwerwiegende Folgen haben könnte, wenn sie sich auf der Arbeit infizieren. Wie soll man unter diesen Bedingungen pädagogisch wertvoll arbeiten? Wenn man sich ständig fragen muss, ob das Kind, dem man gerade die Nase putzt, die Tränen wegwischt und die Windel wechselt vielleicht infiziert ist? Auch hier würden regelmäßige Tests zumindest etwas mehr Sicherheit geben.
Sie sagten vor kurzem, man könne Tests nicht zur Pflicht machen, weil Kinder, deren Eltern sie nicht testen wollen, nicht von der frühkindlichen Bildung ausgeschlossen werden dürfen. Also schließen wir besser alle aus, damit jeder die gleichen Chancen hat?!
Ohne Testpflicht wird es vor dem Frühjahr keinen einzigen Tag mehr in der Kita geben, an dem Corona keine Rolle spielt. Es werden jeden Tag Kollegen wegen Isolation ausfallen, es wird jeden Tag das Telefon klingeln und jemand einen Fall melden. Es werden jeden Tag hunderte Eltern in Rheinland-Pfalz auf der Arbeit alles stehen und liegen lassen, weil (mal wieder) die Kita verlangt, dass die Kinder abgeholt und zum Test gefahren werden.
Mit einer Testpflicht hätten wir die reelle Chance, nachdem am morgen alle getestet wurden, den restlichen Tag annähernd „normal“ zu gestalten.
Sparen Sie sich eine Antwort auf dieses Schreiben und stecken Sie Ihre Energie lieber in die Umsetzung unserer Forderungen nach einer Testpflicht.