Offener Brief an Bildungsminister Teuber: Die Bildungspolitik hat ein Umsetzungsproblem

Sehr geehrter Herr Bildungsminister Teuber,

in der Plenumssitzung vom 11.9.25 wurde aus aktuellem Anlass (Ergebnisse des Bildungsmonitors) über Bildung diskutiert.

Sie äußerten unter anderem, dass die Bildungspolitik kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem habe. Der frühen Bildung maßen Sie besondere Bedeutung zu, da „später nur schwer auszugleichen sei, was in den ersten Jahren versäumt wird.“ Wir stimmen Ihnen diesbezüglich aus vollem Herzen zu. Beide Aussagen treffen wir als Verband seit Jahren regelmäßig, wenn wir über das Thema Kita-Qualität sprechen.

Es ist fachlich unstrittig, dass die personellen und räumlichen Vorgaben für unsere Kitas, besonders was die Altersgruppe 2-6 Jahre angeht, nicht den fachlichen Mindestanforderungen an eine gute Kita-Qualität entsprechen. 

Wir verstehen, dass die Kita-Krise nicht über Nacht gelöst werden kann. Gleichzeitig wäre es nötig, den Erkenntnissen erste Umsetzungsschritte, die über ein Trippeln hinausgehen, folgen zu lassen. 350 Kitas von rund 2700 Einrichtungen in RLP zusätzliche Personalstunden für Sprachförderung zur Verfügung zu stellen, wird angesichts der grundlegenden strukturellen Probleme für die meisten Kita-Kinder in unserem Bundesland kaum oder keine Verbesserungen bringen.

Im 2019 verabschiedeten Kita-Gesetz von RLP wurde festgeschrieben, dass einjährige Kinder deutlich besser als zweijährige Kinder personalisiert werden. Fachlich gesehen, gibt es dafür keine Grundlage. Auch zweijährige Kinder müssen gewickelt werden, haben den Grundspracherwerb noch lange nicht abgeschlossen, brauchen viel Assistenz und Unterstützung (zum Beispiel beim An- und Ausziehen, Essen oder bei der Regulierung ihrer Emotionen), persönliche Zuwendung und Aufmerksamkeit, sowie ständige Aufsicht. Der Betreuungsaufwand wird erst dann langsam weniger, wenn Kinder selbständig die Toilette nutzen, länger bei einer Tätigkeit verweilen, mit anderen Kindern über einen gewissen Zeitraum in kleinen Gruppen spielen oder beginnen, sich selbständig zu organisieren und sprachlich verständlich ihre Bedürfnisse, Wünsche, Ideen und Beschwerden zu äußern. Das trifft in der Regel frühestens für Kinder ab drei Jahren zu.

Wird das Kita-Gesetz dergestalt angepasst, dass alle Kleinkinder (Ein- und Zweijährige) mit einem VZÄ von 0,263 personalisiert werden, würde dies die Qualität der frühkindlichen Bildung deutlich verbessern und dem Anspruch einer kindgerechten Betreuung  sowie fachlichen Mindeststandards näherkommen.

Einer Kita mit 100 Kindern von zwei – bis sechs Jahren stünden dann bezogen auf 7 Stunden Betreuungszeit 13-14 VZÄ (je nach Anzahl der U3 Kinder im entsprechenden Kita-Jahr) anstatt 10 VZÄ zur Verfügung. Damit hätten pädagogische Fachkräfte unter anderem deutlich mehr Zeit für kontinuierliche intensive sprachliche Interaktionen (dialogisches Lesen, projektorientiertes forschendes Lernen in kleinen Settings, intensive Gespräche in ruhigem Rahmen, usw.), welche Voraussetzung für eine gelingende alltagsintegrierte Sprachförderung sind.

Bei Ihrem Besuch an unserem Stand anlässlich des Rheinland-Pfalztages stellten Sie ein Gespräch mit unserem Verband in Aussicht. Wir würden uns sehr freuen, wenn dies in der nächsten Zeit möglich wäre. Bevorzugen würden wir ein Onlinegespräch, da unser Vorstand aus verschiedenen Ecken von RLP kommt und eine Videokonferenz für uns als Ehrenamtler einfacher zu realisieren ist als ein Treffen in Präsenz.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Theobald

(Vorsitzende)

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