Sehr geehrte Damen und Herren aus der Politik/ Verantwortliche,
ich arbeite in einer Kindertagesstätte in der Kinder im Alter von 1 bis 6 Jahren betreut werden und habe mich wie die meisten meiner Kolleg*innen die letzten zwei Jahre mühsam im Privaten (Mutter einer Tochter) wie im Beruflichen durch die Corona-Pandemie gekämpft und bin nach zwei Jahren Dauer- Alarm- Zustand einfach nur noch müde, enttäuscht und wütend. Bei Pandemiebeginn im Januar 2020 saßen wir alle tatsächlich noch irgendwie im Tal der Ahnungslosen und damit im gleichen Boot. Zwei Jahre und etliche Wellen und Lockdowns später bin ich privat zwar schlauer (höre regelmäßig den NDR Podcast „Coronavirus Update“ mit Christian Drosten und Sandra Ciesek), laviere mich aber beruflich von einer Coronaregelung zur nächsten, welche alle eine kurze Gültigkeit haben; sprich: Was gestern noch galt, ist heute ungültig. Zur Zeit habe ich mal wieder einen „Corona-Dienstplan“ so wie alle meine Kolleg*innen, der auch unser Privatleben /Zeitmanagement beeinträchtigt und fahre auf Sicht. Letzte Woche hatten wir 19 bestätigte Corona-Fälle in unserer Einrichtung; die letzten beiden am vergangenen Donnerstag. Alle Kontaktkinder wurden von uns in Quarantäne geschickt und die Empörung/Verzweiflung/Wut der Eltern durften wir als Überbringer (wenn auch nicht Verursacher) der bad news auch noch mit abfangen. Nur um dann einen Tag später eben diese Eltern erneut anzurufen und ihnen mitzuteilen, dass sie sich ab sofort mit einem Schnelltest aus der am Vortag verhängten Quarantäne frei testen können. Ganz ehrlich: Wie würden Sie sich da fühlen??? Ich kam mir einfach – gelinde gesagt- verarscht vor. Und nun die Frage (platt formuliert, ich weiß): HALLOOOO??? GEHT`S NOCH??? Haben Sie sich ernsthaft mal überlegt, was das bedeutet, wenn sich alle Kontaktpersonen bereits am nächsten Tag mit einem EINMALIGEN!!!PoC- Antigen- Schnelltest freitesten dürfen??? Das ist nach meinem (und nicht nur meinem) Dafürhalten Durchseuchung durch die Hintertür! Gut, man kann diese Strategie fahren – aber dann sollte man auch den Mut und die Aufrichtigkeit haben, dies genau so als Exit-Strategie zu benennen, anstatt die Leute für dumm zu verkaufen. Und die ewige Leier, dass Kinder nicht schwer erkranken und Omikron für mildere Verläufe sorgt ist eine nicht haltbare bzw. bisher nicht bewiesene Behauptung und viel zu kurz gedacht. Es ist schön, wenn Kinder vielleicht nicht schwer erkranken – aber dennoch tragen sie das Virus weiter in die Familien und die Gesellschaft bis hin zu den „vulnerablen Personen“ die ja unbedingt geschützt werden sollen (das sind in vielen Kitas einige Großeltern); die Annahme, das Kinder nicht so infektiös seien, hat sich jedenfalls längst als haltlos erwiesen und sollte auch in Ihren Köpfen angekommen sein. Im Übrigen schlagen aus eigener und vielfach gemachter Erfahrung im Freundeskreis bzw. den Familien die Schnelltests erst nach einigen Tagen positiv an und nicht schon am 1. Tag nach dem Kontakt zu einer positiven Person (auch wenn 48 Stunden zurückgerechnet werden). Auch das sollten Sie schon mitbekommen haben, wenn Sie einen solch unglaublichen Beschluss erlassen.
Daher schließe ich mich den Forderungen des Kita- Fachkräfteverbands RLP uneingeschränkt an:
1. Flächendeckende VERBINDLICHE Teststrategie für ALLE Kitas (Lolli- oder Spucktest)
2. Bei positivem Fall verpflichtende Testung der Kontaktpersonen an den fünf darauf folgenden Tagen analog zu den Schulen oder Einhaltung einer fünftägigen Quarantäne mit anschließender Freitestung
3. Bildung kleinerer Betreuungssettings zur Kontaktreduzierung und Anpassung der Betreuungszeiten.
Das ist das Mindeste, was zu erwarten ist!!! Es wird immer über das hohe Gut der frühkindlichen Bildung und den Beitrag, den die Kitas dazu leisten, schwadroniert…aber wirklich viel investiert wird nicht. Es ist genug Geld da; für jeden Sch… wird Geld bereit gestellt, aber die ausreichende Beschaffung von Lolli-Tests ist auch nach zwei Jahren Pandemie nicht möglich; ebenso fehlt auch der politische Wille, die Durchführung dieser Tests verpflichtend durchzusetzen. Bloß niemandem was zumuten, bloß keine potentiellen Wähler verprellen – die Zeche für diese Rückgratlosigkeit zahlen in erster Linie die Kinder, deren Familien und zuletzt die Erzieher*innen. Ich liebe meinen Beruf und habe unter widrigen Umständen (zusätzlich zur Pandemie kam ja noch das „Gute“-Kita- Gesetz“(allein diese Bezeichnung ist ein Witz) dazu) mein Bestes gegeben, aber langsam ist der Kanal voll …und ich frage mich schon, warum ich im September `21 zur Wahl gegangen bin. Übrigens hat das Expertengremium der Bundesregierung ganz aktuell mangelhaftes Pandemiemanagement attestiert. Ein Armutszeugnis für Deutschland!
Ich bin zutiefst frustriert und wütend, wie den sozialen Berufsständen immer wieder neue Bürden ganz selbstverständlich aufgeladen werden. Und dann ist hinterher der Katzenjammer groß, wenn überall in diesen Jobs Fachkräftemangel herrscht.
In diesem Sinne: Gute Nacht, Deutschland!