mit Manuela Pascarella, Leiterin der für den deutschen Kita-Preis nominierten Prot. Kita Regenbogen in LU
und dem Trägervertreter Frank Wolf
Die prot. Kita Regenbogen aus Ludwigshafen-Pfingstweide ist für den deutschen Kita-Preis 2023 nominiert. Unter 750 Bewerbungen gehört sie zu den 25 Nominierten für den Preis „Kita des Jahres“.
Wir freuen uns sehr, dass die Leiterin Manuela Pascarella und ihr Trägervertreter Frank Wolf dem Kita-Fachkräfteverband RLP ein Interview geben.
Frau Pascarella, wie sind Sie und ihr Team auf die Idee gekommen, sich für den deutschen Kita-Preis zu bewerben?
Vor 2-3 Jahren landeten Flyer, in denen über den Deutschen Kita-Preis berichtet wurde, in unserer Kita. Wir hatten Lust uns zu bewerben, befanden uns aber im Prozess des Qualitätsmanagements „Kita+QM“ der pfälzischen Landeskirche. In Absprache mit unserer pädagogischen Gesamtleitung beschlossen wir, dass wir uns zuerst darauf konzentrieren um das evangelische Gütesiegel zu erhalten. Im Juni 2021 wurden wir begutachtet und bekamen ein sehr gutes Feedback. Dadurch wurden wir ermutigt, uns nun für den „Deutschen Kita-Preis“ zu bewerben.
Wie aufwändig war die Bewerbung?
Wir haben uns auf der Homepage des Deutschen Kita-Preises registriert und in einem Text von 10000 Zeichen incl. Leerzeichen dargelegt, was unsere pädagogische Arbeit ausmacht. Die vier Dimensionen, die beschrieben werden mussten, heißen: Kindorientierung/Partizipation, Elternarbeit, Sozialraumorientierung und lernende Organisation. In intensiver Teamarbeit haben wir die Bewerbung fertiggestellt. Und es hat sich gelohnt. Die Begeisterung war groß, als der Telefonanruf und die Mail kam, dass wir zu den 25 Kitas gehören, die nominiert sind. 41 Einrichtungen aus Rheinland-Pfalz haben sich beworben und wir sind die einzige Kita aus RLP, die nominiert ist, das ist schon grandios.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir haben sehr viele Unterlagen mit unterschiedlichen Fragen geschickt bekommen. In nur anderthalb Wochen mussten wir und unser Träger unsere pädagogische Arbeit in der Kita und die strukturelle Arbeite des Trägers kleinteilig beschreiben und Konzeption, Schutzkonzept und Trägerleitbild einreichen. Am 10.10. um 17.55 Uhr habe ich glücklich 55 Seiten abgeschickt. Von den 25 nominierten Kitas werden nun anhand der Unterlagen 10 Kitas herausgesucht, die Entscheidung fällt im Dezember. Diese 10 Kitas werden dann im Januar vor Ort besucht. Aus diesen 10 besuchten Kitas werden dann die fünf Finalisten gewählt. Die Preisverleihung ist im März 2023.
Wir sind sehr stolz, dass wir nominiert wurden. Es war unser Ziel, nicht gleich bei der Bewerbungsphase rauszufliegen. Dieses ambitionierte Ziel haben wir nun erreicht. Alles Weitere lassen wir auf uns zukommen und sind für uns „Zuckerstückchen“. Aber, ohne unser tolles, stabiles Team und die große Unterstützung durch unseren Träger hätten wir das nicht geschafft. Ich bin dankbar um die professionellen Trägerstrukturen. Es ist immer jemand erreichbar und Fragen werden kompetent beantwortet. Zusätzlich zur Begleitung im Alltag und der Unterstützung bei Problemen haben gerade wir Leitungen vom betrieblichen Gesundheitsmanagement unseres Trägers sehr profitiert. Dabei wird genau hingeschaut, wo die Belastungen liegen, wie Stress bewältigt oder reduziert und körperlichen Belastungen (z.B. Rückenprobleme) begegnet werden kann.
Herr Wolf, wie sehen professionelle Trägerstrukturen in Ihrem Verbund aus?
Das Qualitätsmanagement war für uns als Träger der Auslöser, sich um unsere Strukturen Gedanken zu machen. Bis 2016 war die Kita Regenbogen in der Trägerschaft der Kirchengemeinde. Nach einer „Ist-Analyse“ begannen wir mit der Trägerentwicklung. Nach einer Erprobungsphase hat sich der Verbund gebildet. Im Verbund Protestantischer Kindertageseinrichtungen sind 20 Kindertagesstätten der protestantischen Kirchengemeinden im Prot. Kirchenbezirk Ludwigshafen und (Stadt Ludwigshafen und Altrip) zusammengeschlossen. Wir haben die Betriebsträgerschaft übernommen. Die Bauträgerschaft verbleibt bei der jeweiligen Kirchengemeinde.
Wir beschäftigen zwei pädagogische Gesamtleitungen, eine Bauingenieurin, eine Sachbearbeiterin und eine Verwaltungskraft. Einige unserer Kitas sind „Familien- Kitas,“ die Familien in besonderer Weise beraten und unterstützen. Dafür haben wir eine weitere Stelle geschaffen, die über das Sozialraumbudget finanziert wird.
Ich bin der sogenannte theologische Leiter und damit für alles zuständig, was durch die anderen Stellen nicht abgedeckt ist. Meine Aufgaben reichen von Theologischer Profilarbeit zu arbeitsrechtlichen Fragen über das betriebliche Gesundheitsmanagement bis hin zum Organisieren neuer Klodeckel für eine Einrichtung.
Als Träger ermöglichen wir unseren Teams, sich fortzubilden und haben dafür eine bestimmte Anzahl von Schließtagen. Jährlich hat jede Kita grundsätzlich zwei Tage zur Planung und zwei weitere Tage für eine Teamfortbildung. Weitere Tage können beantragt werden, um die konzeptionelle Arbeit weiterzuentwickeln.
Die Kitas im Verbund sind fast voll besetzt. Von ca. 240 päd. Stellen sind wenige vakant. Wir haben einen Springerpool, der mit 10 Stellen besetzt ist. Wir wünschen uns mehr Springerkräfte in unserem Pool, aber das ist durch den Fachkräftemangel aktuell schwierig.
Wir schützen unser Personal, indem der Maßnahmenplan transparent gemacht wird und in jeder Kita aushängt.
Die Kita Regenbogen hat eine sehr niedrige Krankenrate. Ich führe das auf das gute Miteinander im Team zurück. Sie ist allerdings auch die einzige Kita im Verbund, die eine Lüftungsanlage hat.
Die Teilzeitkräfte, die in der Kita Regenbogen arbeiten, sind sehr flexibel und bereit, Engpässe zu überbrücken. Vertretungsstunden werden bei uns generell nicht abgefeiert, sondern ausbezahlt.
Wir merken langsam, dass das Thema Fachkräftemangel in unserem Verbund ankommt. Auch als attraktiver Arbeitgeber werden wir in den kommenden Jahren mit dem Fachkräftemangel zurechtkommen müssen.
Ich halte es für eine gesellschaftliche Lüge, wenn wir so tun, als könnten Kitas für Familien derzeit Betreuungssicherheit gewährleisten. Fast alle Kleinkinder sind häufig krank und können dann nicht in der Einrichtung betreut werden. Kitas haben Schließtage und Personalengpässen muss mit verkürzten Öffnungszeiten begegnet werden.
Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, würde ich die Erzieherausbildung auf eine klassische dreijährige duale Ausbildung umstellen. Die anspruchsvolle Ausbildung in der Krankenpflege gelingt auch in einer dreijährigen Ausbildung im dualen System. Warum sollte das bei den Erzieher*innen nicht auch möglich sein?
Frau Pascarella, wie würden Sie die pädagogische Arbeit in Ihrer Kita beschreiben?
Unsere pädagogische Konzeption geht von den Kinderrechten aus. Wir leben den Situationsansatz in unserer Kita, in dem das Kind den Alltag gestaltet. Geht nicht- gibt es erstmal nicht, das ist nach wie vor unsere Devise. In der ersten Lockdown- Zeit haben wir gemeinsam überlegt, wie wir die Kinder und auch die Familien außerhalb der Kita erreichen und sie in unserer Arbeit „mitdenken“ können und haben gute Lösungen gefunden.
Unser Grundsatz „Vom Kind herdenken,“ ist bei Betreten unserer Kita gleich sichtbar. Im DINA3 Format sind Plakate mit den Kinderrechten, die für unsere Kinder wichtig sind, aufgehängt. Alle Kinder kennen ihre Rechte und wissen, was auf den bebilderten Plakaten steht. Die Kita Regenbogen hat einen hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund. Aus diesem Grund stehen die Texte und auch die bebilderten Kinderrechte in vielen verschiedenen Sprachen zur Verfügung. Familien und Kinder können sogenannte Sprachbuttons bedienen und damit in ihrer Muttersprache informiert werden.
Wenn wir Informationsbriefe an die Familien herausgeben, gibt es gleichzeitig immer einen Kinderbrief. Die Kinderbriefe sind alle bebildert und die Kinder sehen sofort, wann und für wen ein Ausflug stattfindet oder wann und welches Fest stattfindet. Mit den Kindern gemeinsam erarbeiten wir den Brief, bevor die Briefe für die Familien rausgehen. Dies ermöglicht den Kindern zu bestimmen, ob ich z.B. mit auf den Ausflug gehe oder nicht.
Wir haben ein sehr engagiertes Team, das bei der Entwicklung der pädagogischen Arbeit motiviert mitgeht, sind Sprach-Kita und Familien-Kita. Für diese Aufgaben haben wir zusätzliches Personal. Der Titel Familien-Kita bedeutet für uns, eine enge, niedrigschwellige Beratung anbieten zu können. Oft geht es um Alltagsprobleme, wie zum Beispiel das Sauberwerden oder das Thema Schnuller. Zu aktuellen Themen, mit denen unsere Familien in die Kita kommen, entwickeln wir Flyer, die wir den Familien im Nachgang mitgeben können.
Vor- und Nachbereitungszeiten sowie Teamzeiten sind bei uns im Dienstplan bzw. Einsatzplan verankert. Das ist für die pädagogische Arbeit im Alltag und Qualität wichtig.
Für die Gestaltung unseres Kita-Alltags haben wir gute räumliche Voraussetzungen. Wir sind uns bewusst, dass dies in vielen anderen Kitas nicht der Fall ist. Unsere Kita hat die Betriebserlaubnis für 50 Plätze, 28 GZ und 22 VV. Den Kindern stehen drei Gruppenräume, ein Bewegungsraum und ein großer Flur zur Verfügung. Unsere Vorschulkinder planen gemeinsam, wie sie ihr letztes Kita-Jahr gestalten. Der dritte Raum steht hauptsächlich ihnen zur Verfügung. Zudem haben wir eine große Bibliothek im Flurbereich. Unser Außengelände ist ebenfalls groß und bietet den Kindern viele Möglichkeiten. Weil die Platzbedarfe im Stadtteil steigen, soll unsere Kita abgerissen und mit einem Platzangebot für 100 Kinder neu errichtet werden.
Liebe Frau Pascarella, Sie sind Mitglied im Kita-Fachkräfteverband und engagieren sich für eine bessere Kita-Qualität. Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen in rheinland-pfälzischen Kitas?
Trotz unserer guten engagierten Arbeit stoßen auch wir immer wieder an strukturelle Grenzen. Als Leitung ist es mir wichtig, dass keiner mit Bauchschmerzen zur Arbeit gehen muss. Als lernende Organisation passen wir unsere pädagogische Arbeit an die Gegebenheiten an. Unser Träger steht auch in dieser Beziehung hinter uns. Der Maßnahmenplan unserer Einrichtung hängt im Eingangsbereich unserer Kita aus, somit ist dieser allen Familien transparent und wird bei Personalunterschreitung oder Personalengpass konsequent umgesetzt. Im Zuge des neuen Kita-Gesetzes hat sich Ludwigshafen beim Personal Schlüssel verschlechtert. Zweijährige zählen als sogenannte Regelkinder. Vor dem neuen Kitagesetz gab es Mehrpersonal für die zweijährigen, da diese einen anderen Tagesablauf haben und oftmals noch gewickelt werden. Mittlerweile aber gibt es auch über die Zweijährigen hinaus immer mehr Wickelkinder mit erhöhtem Zeitaufwand in den Kitas, was man mit dem „normalen“ Personalschlüssel ohne Mehrpersonal stemmen muss.
Als Leitung habe ich 10 Stunden Freistellung. Mein Team schaufelt mich frei, damit ich meinen Aufgaben nachkommen kann. Dafür nehme ich ihnen sämtlichen „Schreibkram“ ab, damit sie sich auf die pädagogische Arbeit mit den Kindern konzentrieren können. Auch die Anforderungen an die Arbeit in den Kitas ist kontinuierlich gestiegen. Wir brauchen eine bessere Fachkraft-Kind Relation, eine vollständige Leitungsfreistellung und mehr Zeit für Praxisanleitung. Diese eine Stunde in der Woche ist nicht ausreichend, die Anleiter sind im täglichen Gespräch mit den Azubis, dies muss im Alltag stattfinden, um die Azubis während der Praxis gut begleiten zu können. Nicht selten macht uns auch die Bürokratie zu schaffen, so werden zum Beispiel Antragsverfahren auf I-Kräfte „verschlimmbessert“ und oftmals ist das Kind dann schon in der Schule, bevor das Kind adäquate Hilfe hatte. Ebenso wenn Verpflegungskosten für Familien mit wenig Geld erstattet werden soll. Das müssen wir angehen. Was ich noch wichtiger finde ist, dass die Politik sich die Menschen, die in der Praxis arbeiten und täglich mit den veränderten Rahmenbedingungen zurechtkommen müssen, gehört werden. Es kann nicht sein, dass „Schreibtischmenschen“- die ihre Arbeit bestimmt auch gut machen, Dinge erfinden und entscheiden, die in der Kita Welt nicht praktikabel sind.
Als Kita-Fachkraft und Leitung bewegt mich immer wieder die Frage, wie wir Kitas kindgerecht weiterentwickeln können und welche Rahmenbedingungen es dafür braucht ohne die pädagogische Arbeit tagtäglich „anpassen“ zu müssen, damit Kinder und Familien ein Umfeld vorfinden, in dem sie gut Entscheidungen mitbestimmen können und aufwachsen können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Manuela Pascarella und Frank Wolf führte Claudia Theobald
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