Aus Sicht der deutschen Kita-Fachkräfteverbände ist die Debatte um ein Kita-Pflichtjahr für Vorschulkinder eine reine Scheindebatte, denn nahezu jedes Kind hat bereits eine Kita besucht, bevor es in die Schule kommt.
Bei der berechtigten Frage, warum die Leistungen der Grundschüler*innen seit Jahren schwächer werden und auf einem inakzeptablen Niveau liegen, müssen die Kitas mit in den Blick genommen werden. Wissenschaft und Fachpraxis weisen seit Jahren auf die schlechte personelle und oft auch räumliche Ausstattung unserer Kindertageseinrichtungen hin. Förderung, Bildung und bedürfnisorientierte Betreuung sind unter diesen Bedingungen nur eingeschränkt leistbar.
Die ersten Lebensjahre legen den Grundstein der Bildungsbiografie. Wenn KiTa-Kinder mehr verwahrt als gebildet und gefördert werden, gefährdet das die kindliche Entwicklung. Auch am vieldiskutierten Thema der alltagsintegrierten Sprachförderung wird das Dilemma deutlich. Spracherwerb braucht Interaktion. Nur wenn ausreichend Zeit für persönliche Zuwendung und sprachliche Begleitung vorhanden ist, entwickeln sich Aussprache, Wortschatz und Grammatik altersgerecht. Es ist selbst beim Bund unumstritten, dass die Sprachkitas ein voller Erfolg waren. Trotzdem soll das Programm eingestellt werden, anstatt zukünftig allen Kitas zusätzliche Mittel für sprachliche Förderung zur Verfügung zu stellen.
Kinder, die mit sprachlichen, motorischen, sozialen oder emotionalen Defiziten eingeschult werden, haben es nicht leicht, diese Rückstände aufzuholen.
Wir brauchen deshalb kein Kita-Pflichtjahr, sondern eine bessere Kita-Qualität. Die dafür personellen und räumlichen Mindestanforderungen liegen seit Jahren auf den Tischen oder in den Schubladen der Ministerien. Umgesetzt wurden sie bisher in keinem Bundesland.
Unsere Gesellschaft sollte sich intensiv mit der Frage beschäftigen, warum die Leistungen der Grundschüler seit Jahren schlechter werden, obwohl Kita-Kinder immer jünger und die Betreuungszeiten länger werden. Wären unsere Kitas hochwertige Bildungseinrichtungen, müssten wir gegenteilige Effekte sehen.
Es ist richtig, dass Kitakinder durch den hohen Personalmangel mehr verwahrt als gefördert werden. Ich bin eine Erzieherin, die schon über 36 Jahre ohne Unterbrechung im Beruf ist und sehe den massiven Unterschied zu früher. Eine Leitung sitzt nur noch den ganzen Tag vor Verwaltungsaufgaben und ist in der Kinderbetreung nicht mehr mit einzurechnen. Das Personal ist nie vollständig. Irgendjemand fehlt immer. Springerkräfte sind rar. Zudem wird uns jetzt noch glaubhaft gemacht, das Kinder überwiegend durch das selbstbestimmte Freispiel lernen, und es somit auch wenig zielgerichtete Angebote braucht, vielleicht, damit das schlechte Gewissen beruhigt wird und wir vor Eltern vertreten können, das die Kita ja eine Bildungseinrichtung ist? Denn die Angebote wiederum müssten vorbereitet werden in einer Verfügungszeit, die sporatisch oder gar nicht vorhanden ist durch Personalmangel bzw. mit Dokumentationspflichten/ Elterngesprächen gefüllt ist, das für anderes keine Zeit bleibt.
Eine Kita ist auch immer noch familienergänzend, jedoch sind Eltern mittlerweile beruflich so stark eingebunden, dass sie auch ihre Pflichten oft auf die Kita übertragen. Ein Teufelskreis.