Im Kita-System spielen übergeordnete Trägerverbände auf kirchlicher und kommunaler Ebene eine wichtige Rolle. Deshalb gehören sie zum Gremium der Kita-Spitzen, das halbjährlich in Mainz tagt. Weitere wichtige Akteure sind Bildungsministerium, Gewerkschaften, Landesjugendamt und der Landeselternausschuss.
Unser Kita-Fachkräfteverband ist in den Kita-Spitzen nicht vertreten, steht aber im Austausch mit den Akteuren. Da uns regelmäßig Berichte aus Kitas erreichen, bei denen sich die Zusammenarbeit mit dem Träger schwierig gestaltet, haben wir an die kirchlichen und kommunalen Trägerverantwortlichen der Kita-Spitzen geschrieben und die Probleme geschildert:
Unseren Verband erreichen immer wieder Berichte, in denen Probleme angesprochen werden, die aufgrund nicht professioneller Trägerstrukturen entstehen. Probleme tauchen auf, weil Kitas neben vielen anderen Tätigkeiten gemanagt werden oder Ehrenamtliche eine große Verantwortung tragen müssen. Die häufigsten Beispiele hierfür finden sich in Kirchengemeinden, in denen Pfarrer*innen Vorgesetzte des Kita-Teams sind oder Einrichtungen kleiner Kommunen, die von Bürgermeister*innen oder Beigeordneten gemanagt werden.
Folgende Punkte wurden uns genannt:
- Kita-Leitungen haben keinen konkreten Ansprechpartner auf der Trägerebene, da beispielsweise die Stelle des Pfarrers oder Bürgermeisters vakant ist oder langfristige Erkrankungen vorliegen. Wenn keine Vertretung als Trägervertreter benannt wird, ist die Kita quasi führungslos. Auch für finanzielle Fragen (Neuanschaffungen oder Reparaturen) fehlen in diesen Fällen weisungsbefugte Ansprechpartner.
- Die Verantwortlichen auf Trägerebene wechseln alle paar Jahre (zum Beispiel nach Kommunalwahlen). Wird beispielsweise ein neuer ehrenamtlicher Bürgermeister oder ein neuer Pfarrer Chef der Kita, kann es sein, dass diese Person keinerlei Vorkenntnisse im Kita-Management mit sich bringt und nicht weiß, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten mit der Trägerverantwortung für eine Kita verbunden sind.
- Ehrenamtliche aus Gemeinderäten oder auf Pfarreiebene werden beauftragt, sich um die Kita vor Ort zu kümmern oder an den Fortbildungen zu Qualitätsmanagementprozessen teilzunehmen. Nicht selten verlieren Ehrenamtliche ihre Motivation, wenn sie merken wie viel Arbeit mit ihrer Aufgabe verbunden ist und legen ihr Amt nieder. Dadurch fängt der nächste Ehrenamtler wieder bei null an.
- Die Kita wird vor allem als ärgerlicher hoher Kostenfaktor wahrgenommen. Es fehlt bei den Ehrenamtlern (die oft älteren Semesters sind) an Verständnis dafür, wie die Aufgaben der Kitas in den letzten Jahrzehnten gewachsen sind und welche (finanziellen) Anforderungen an Räumlichkeiten, Materialien oder personelle Ressourcen (Vertretungskräfte) notwendig sind, weil Kinder ab einem oder zwei bis sechs Jahren täglich mindestens sieben Stunden täglich in der Kita verbringen. Die Vorstellungen der Ehrenamtlichen in Bezug auf den Kita-Alltag beruhen nicht selten auf Erinnerungen an eigene Kita- Erfahrungen, die Jahrzehnte zurückliegen und völlig andere Voraussetzungen hatten.
Hier exemplarisch einige Berichte, die uns in Gesprächen oder schriftlicher Form erreichten:
- In einem Dorf war die Stelle des Bürgersmeisters vakant. Bürger*innen des Ortes lehnten eine Kandidatur auch mit der Begründung ab, dass sie nicht Chef der von Personalmangel und Renovierungsstau gebeutelten Kita werden wollten. Die Leitung der Kita mähte regelmäßig den Rasen, putzte die Fenster und wenn die Reinigungskraft fehlte, auch das Gröbste in der Kita. Weil es keine Vertretungskräfte in der Kita gab, häuften die Erzieherinnen immer mehr Überstunden an und hatten so gut wie nie die Gelegenheit, sie wieder abzubauen. Die Verbandsgemeinde antwortete auf den Hilferuf der Kita-Leitung, dass die Gemeinde vor Ort zuständig und die Vakanz des Bürgermeisteramtes nicht ihr Problem sei.
- Die Stelle des Pfarrers war über Monate vakant oder der Pfarrer war langzeiterkrankt. Die kirchlichen Mitarbeiter*innen sahen sich nicht in der Trägerverantwortung, weil sie dafür nicht beauftragt wurden und andere Aufgaben hatten. Die Ehrenamtlichen fühlten sich wiederum von der Trägerverantwortung überfordert und waren unsicher, welche Entscheidungsbefugnisse sie (auch in finanzieller Hinsicht) hatten.
- Eine neu eingeführte Pfarrerin hatte keinerlei Vorerfahrung in der Trägerschaft einer Kita. Sie vertraute der Leitung in vielen Fragen blind und hinterfragte keine ihrer Entscheidungen, die für das Kita-Team wiederum pädagogisch fragwürdig waren. Sie fand keine Zeit (oder hatte kein Interesse?), sich ins vorhandene Qualitätsmanagementsystem einzuarbeiten und sich in die konzeptionelle Arbeit mit einzubringen.
- Träger von Kitas lehnten Kita-Beiratssitzungen und die Teilnahme an Elternausschusswahlen und Elternversammlungen mit der Begründung ab, dass die Zeit fehle, solche Sitzungen einzuberufen und durchzuführen.
- Eine Leitung berichtete, dass jede Kommunalwahl ihr einen neuen Chef bescherte, für den das Thema Kita Neuland war, und mit dem die Zusammenarbeit immer wieder neu aufgebaut werden musste.
- Ein Träger reagierte auf Beschwerden der Eltern über Personalmangel damit, dass er die Kita unter Druck setzte, die Öffnungszeiten (egal wie) zu halten. Die Kita solle sehen, wie sie das hinkriegt. Die Leitung habe dafür zu sorgen, dass keine Beschwerden mehr bei ihm landeten. Er sei nicht bereit, sich mit unzufriedenen Eltern herumzuärgern.
- Eine Leitung, die regelmäßige Gespräche mit einem verlässlich erreichbaren Trägerverantwortlichen (den es in dieser Zeit nicht gab) einforderte und klar benannte, in welchen Bereichen der Träger seiner Verantwortung nicht gerecht wurde, bekam vom ehrenamtlich tätigen Gemeindevorstand Vorwürfe gemacht. Sie zerstöre das Vertrauen mit ihrer Kritik. Argumentiert wurde nicht mit sachlichen und fachlichen Argumenten und lösungsorientiert, sondern mit persönlicher Betroffenheit.
- Gefährdungsmeldungen wurden vom Träger zur Kenntnis genommen, ohne dass sinnvolle Maßnahmen getroffen wurden. Zum Beispiel wurde ein Spielgerät über Monate hinweg mit Band abgesperrt, ohne dass notwendige Reparaturen durchgeführt wurden.
- In einer Kita mit Schimmelproblem wurde die Verantwortlichkeit für erforderliche Maßnahmen zwischen Ortsgemeinde, Verbandsgemeinde und Kirchengemeinde hin- und hergeschoben, so dass über einen langen Zeitraum nichts voranging.
- Die Leitung bekam von ihrem Träger regelmäßig zu hören, dass die Kita zu viel Geld verschlinge und kein Geld für neue Materialien oder Renovierungsarbeiten zur Verfügung stünde.
In all diesen Fällen/In den meisten beschriebenen Fällen gibt es noch immer keine langfristig zufriedenstellenden Lösungen. Die Belastung von Kita-Personal und Familien ist dort folglich enorm groß, mit allen Konsequenzen für das Fachkräfteproblem. Die betroffenen Personen vor Ort möchten keine offiziellen Beschwerden stellen, da sie bereits die leidvolle Erfahrung machen mussten, dass ihnen nicht nachhaltig geholfen wird. Vielmehr verschlechtern sie die eigene Position durch eine Beschwerde nur noch.
Diese Berichte werfen für Träger ohne professionelle Strukturen folgende Fragen auf:
- Wie wird sichergestellt und überprüft, dass die Trägervertreter vor Ort die notwendigen Kenntnisse über die Strukturen des Kita-Systems, die Zusammenarbeit innerhalb der Verantwortungsgemeinschaft des Kita-Systems und ihrer Trägeraufgaben haben?
- Wie wird gewährleistet, dass dem Kita-Team kontinuierlich erfahrene, kompetente und weisungsbefugte Trägervertreter zur Verfügung stehen?
- Wie sollen Leitungen und Teams damit umgehen, wenn der Träger seinen Aufgaben nicht nachkommt und Gefährdungsanzeigen ins Leere laufen?
- Wie kontrollieren übergeordnete Trägerverantwortliche, ob alle Träger Elternausschusswahlen, jährliche Elternversammlungen und Kita-Beiratssitzungen abhalten bzw. bei diesen Veranstaltungen dabei sind?
- Wie wird sichergestellt, dass auf der örtlichen Trägerebene auch ehrenamtlich Tätigen in den Gemeinderäten die Inhalte der Kita-Konzeption, des institutionellen Schutzkonzepts, des KiTa-Gesetzes und (wenn vorhanden) des Qualitätsmanagementsystems bekannt sind?
- Welche konkreten Vorgaben gibt es bezüglich zeitlicher Abstände für regelmäßige Dienstgespräche zwischen Leitung und Träger? Wenn ja, wer kontrolliert, ob die Vereinbarungen eingehalten werden?
- Welche Kriterien und Vorschriften gibt es in Bezug auf Renovierungsarbeiten oder die Anschaffung neuer Materialien? Entscheidet allein die Einschätzung der (oft ehrenamtlich tätigen) Kita-Akteure vor Ort, wie gut Räume ausgestattet werden, wann Renovierungen notwendig sind oder ob beispielsweise Lärm- oder Hitzeschutz ausreichend sind?
- Wie wird sichergestellt, dass Trägervertreter verlässlich erreichbar und ansprechbar sind?
- Wie wird sichergestellt, dass Beschwerden nicht zu Nachteilen für die Beschwerdeführenden führen?
Das scheint mir seit einiger Zeit das Grundproblem in vielen Bereichen zu sein. Zuständigkeit / Verantwortung wird so lange nach unten delegiert bis es auf dieser Ebene letztlich nicht mehr leistbar ist. Im Fall Kita letztlich bis zum einzelnen Erzieher was zwangsläufig zu Problemen / chaotischen Verhältnissen führt. Die Ebenen welche tatsächlich Problemlösungen herbeiführen könnten (und sollten) fühlen sich nicht zuständig und verhindern damit auch pragmatisches Agieren. In den Ministerien herrscht Ahnungslosigkeit und Dogmatismus. Anders kann man nicht interpretieren, dass die Ziele des Gesetzes erreicht wurden. Was nützt ein „Qualitätsniveau“ wenn die Betreuung in weiten Teilen nicht gewährleistet werden kann. Hier werden eindeutig falsche Prioritäten gesetzt, über Änderungen am Betreuungsschlüssel kann man nachdenken wenn alle Kinder einen Platz haben und die vereinbarten Betreuungszeiten auch gewährleistet werden. Alles andere geht an den Bedürfnissen der Familien vorbei und führt zu massiven Folgeproblemen auf dem Bildungsweg. Dass die verantwortlichen Politiker das selbst nach einem Wahldebakel nicht kapieren spricht für sich.
Dass Qualität erst nach Quantität kommen sollte, sehe ich anders. An erster Stelle steht das Kindeswohl und das Recht des Kindes auf eine dem Entwicklungsstand angemessene Bildung, Erziehung und Betreuung. Es darf nicht nur darum gehen, dass jedes Kind einen Platz in einer Art Bewahranstalt hat. Viele Kinderverbringen heutzutage mehr ihrer wachen Zeit in der Kita als zuhause. Wenn Kinder über Jahre hinweg lange Stunden am Tag unter Bedingungen verbringen, die nicht entwicklungsförderlich sind, gefährden wir die kindliche Entwicklung und legen kein gutes Fundament für die weitere Bildungsbiografie. Als Erzieherin sage ich klar, dass Kita-Betreuung nur in dem Umfang stattfinden sollte, wie ordentliche Bedingungen gewährleistet werden. Wir sollten über andere familienpolitische Maßnahmen nachdenken, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Wenn beispielsweise junge Eltern gleichberechtigt ihre Arbeitszeiten verkürzen und einen gewissen Ausgleich bekämen, würden für viele Kinder kürzere Betreuungszeiten ausreichen. Damit würde sich die Personalsituation entspannen und die Fachkräfte könnten sich den Kindern so zuwenden, wie das notwendig wäre.
Pingback: Unser Schreiben an die Kita-Spitzen: Das waren die Antworten - Kitafachkräfteverband RLP