Viele Einrichtungen wissen noch nicht, wie der KiTa-Alltag ab Juli aussehen wird
Keiner KiTa wird es schlechter gehen! Dieses Versprechen wurde bis zur Verabschiedung des Gesetzes im August 2019 den Erzieher*innen auf jeder Infoveranstaltung gegeben.
Wie sieht es aktuell aus, kurz vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Juli 2021?
Der KiTa-Fachkräfteverband bekommt aktuell zahlreiche Berichte von Fachkräften und Leitungen, die dem neuen KiTa-Jahr mit Sorge und großen Fragezeichen entgegensehen.
Längst nicht alle Einrichtungen haben bereits eine neue Betriebserlaubnis nach den neuen Vorgaben. Oft gibt es noch viele ungeklärte Fragen. Es ist zum Beispiel nicht klar, ob Arbeitsverträge verlängert werden und neue Bewerber eingestellt werden können. In Zeiten des Fachkräftemangels ist vielerorts die Sorge groß, ob Stellen überhaupt besetzt werden können.
Auch Neuanmeldungen von Kindern hängen manchmal noch in der Luft. Erst mit der neuen Betriebserlaubnis und dem Wissen, ob die KiTa personell ausreichend besetzt ist, können Plätze verbindlich zugesagt werden. So mancher freie Träger steht immer noch in Verhandlungen, welchen Anteil der Kosten die öffentliche Hand in Zukunft tragen wird.
Manche KiTas können aus räumlichen Gründen die neuen Vorgaben noch nicht umsetzen. Dort wird es erst mal so weitergehen wie bisher, die sieben Stunden für alle müssen dann noch warten, obwohl ab Juli das Recht auf eine durchgehende Betreuung besteht. Anderenorts sind die Umbaumaßnahmen zur Erweiterung der Küchenkapazität oder der Ess- und Schlafräume noch nicht beendet.
Um allen Kindern ein warmes Essen anzubieten, gilt eine Übergangsfrist bis 2028. Das führt in manchen Einrichtungen dazu, dass nur für einen Teil der Kinder gekocht wird, während der andere Teil sich mit einem von zuhause mitgebrachtem Lunchpaket begnügen muss. Es besteht die Gefahr, dass hier eine Art “Zweiklassengesellschaft“ entsteht, besonders wenn die Plätze für ein warmes Essen kontingentiert sind und keine Wahlmöglichkeit zwischen Lunch und warmer Mahlzeit besteht.
Corona hat Planungen und Baumaßnahmen erschwert und verzögert. Es gab etliche Stimmen von Trägern, Verbänden und Erzieher*innen, die dafür plädierten, den Start des Gesetzes nach hinten zu schieben. Nun soll es aber, wie vorgesehen, am 1.7.2021 in Kraft treten.
Die Einrichtungen, die schon wissen wie es ab Juli weitergeht, sehen den Neuerungen mit unterschiedlichen Gefühlen und Bedenken entgegen. Es gibt KiTas, denen dann etwas mehr Personal zur Verfügung steht, allerdings wachsen mit der durchgehenden Betreuung aller Kinder auch die Aufgaben und Anforderungen.
Als Verband bekommen wir aber auch Rückmeldungen unglücklicher KiTa-Leitungen, die Personal gekürzt bekommen und nun einen größeren Betreuungsaufwand mit weniger Kräften stemmen sollen. Alle sind sich einig, dass die Leitungsdeputate zu niedrig bemessen sind und die Leitungen mit den vorgegebenen Leitungszeiten ihren Aufgaben nicht gerecht werden können.
Eine KiTa-Leitung aus dem Rhein-Lahn Kreis schildert uns beispielhaft, wie sich die Rahmenbedingungen ihrer Einrichtung verschlechtern.
Sie leitet eine kleine Einrichtung mit 30 Plätzen. Da die Räumlichkeiten für die Aufnahme von Einjährigen nicht gut geeignet sind, wurden bisher die Kinder erst mit zwei Jahren aufgenommen. Es gab 24 Ganztagesplätze und 6 Teilzeitplätze. Der Stellenschlüssel betrug 4,86 Stellen und 4,5 Stunden Leitungsfreistellung.
Nach dem neuen Gesetz erhöht sich die Leitungszeit auf 9 Stunden, der Stellenschlüssel reduziert sich aber auf 4,35 Kräfte, obwohl die Einrichtung künftig 1,5 Stunden länger geöffnet sein wird, alle Kinder über Mittag betreut werden und nun mindestens zwei einjährige Kinder aufgenommen werden müssen. Eventuell kommen noch ein paar Stunden über das Sozialraumbudget dazu, was aber auf keinen Fall die gestiegenen Anforderungen ausgleichen wird.
Das berichtet uns auch eine Leitung einer südpfälzischen KiTa. Obwohl sich die Öffnungszeiten verlängern und fünf Kinder zusätzlich aufgenommen werden, muss die KiTa zukünftig mit weniger Personal auskommen. Es ist fraglich, ob diese dörflich gelegene Kita überhaupt Stunden für KiTa-Sozialarbeit bekommen wird.
Von anderen Einrichtungen wird zum Beispiel berichtet, dass die Französischkräfte in den regulären Personalschlüssel übernommen werden. Diese Kräfte haben keine pädagogische Ausbildung, sondern sind französische Muttersprachler*innen, die bisher zusätzlich kamen, um den Kindern die französische Sprache und Kultur nahezubringen. Gehören sie zum regulären Personalschlüssel, ist fraglich, ob sie diese Aufgabe noch wahrnehmen können, da sie nun zur Betreuung der Kinder im Alltag und in der personalintensiven Mittagszeit gebraucht werden. Auch zusätzliche Sprachförderkräfte sind nach dem neuen Gesetz nicht mehr vorgesehen. Sprachförderung soll nur noch alltagsintegriert stattfinden, obwohl durch den gestiegenen Betreuungsaufwand in den meisten KiTas weniger Zeit für die pädagogische Arbeit da sein wird.
Der KiTa-Fachkräfteverband wird am Thema dranbleiben und regelmäßig berichten, wie es in den KiTas aussieht und sich der neue Alltag auf die pädagogische Qualität und das Wohlbefinden der Kinder auswirkt.
Auch hier gilt unser Motto, das sich in Corona-Zeiten gebildet hat: „Augen zu und durch ist keine Option!“