Sehr geehrter Herr Winheller, sehr geehrte Elternvertreter*innen,
Der SWR zitiert am 27.10.2021 in dem Artikel „Wenn Rotznasen nicht in Koblenzer Kitas dürfen“ den Vorsitzenden des Landeselternausschusses mit folgenden Worten:
„Die Einrichtungen wüssten, dass sie den Kindern nicht den Zutritt verweigern dürfen, täten es aber trotzdem: „Und da muss man ganz klar sagen, hier wird Kindern ihr Bildungsrecht vorenthalten.“ Andreas Winheller kritisiert auch, dass die Erzieher und Erzieherinnen beurteilen dürfen, wie krank ein Kind ist. Manche schickten Kinder schon beim ersten Hüsteln nach Hause, andere nur dann, wenn die Nase sehr verstopft und das Sekret verfärbt sei. Das zu beurteilen, sei aber Aufgabe eines Arztes, meint der Vorsitzende des Landeselternausschusses.“
(Quelle: SWR Aktuell, 27.10.2021)
Das Thema „kranke Kinder in der Kita“ war für uns Fachkräfte schon vor Corona ein Thema. Und das wird auch nach Corona so bleiben.
Wir wünschen uns, genau wie Eltern, dass Kinder möglichst regelmäßig ihre Einrichtung besuchen können. Gerade jüngere Kinder müssen sich nach jeder Zeit der Abwesenheit wieder neu orientieren und in der Einrichtung zurechtfinden. Das macht den Kita-Alltag für alle Beteiligten nicht gerade einfacher.
Neben dem von Ihnen erwähnten Recht auf Bildung steht das Recht auf Gesundheit, das Infektionsschutzgesetz, die Fürsorgepflicht und die Gewährleistung des Kindeswohls.
Das alles zu berücksichtigen, abzuwägen und im Einzelfall eine angemessene Entscheidung zu treffen, ist für Kita-Fachkräfte keine leichte Aufgabe.
Wir sind froh über die vielen Eltern, die sehr verantwortungsvoll mit dem Thema umgehen und uns erst gar nicht in die Situation bringen, dass wir ein Kind wieder nach Hause schicken müssen, weil es ihm nicht gutgeht.
Kita-Fachkräfte erleben aber auch Eltern, die kranke Kinder in die Kita bringen.
Da bricht ein Kind beispielsweise im Gruppenraum auf den Boden. Als alles gesäubert ist und sich das Kind beruhigt hat, sagt es zu seiner Erzieherin: „Ich habe ja schon heute Nacht brechen müssen, aber die Mama hat gesagt, das darf ich dir nicht sagen.“ Oder Kinder erzählen uns von Fiebersaft und Zäpfchen, die sie morgens verabreicht bekommen, um dann in die Kita geschickt zu werden.
Wir sind keine medizinischen Fachkräfte, da haben Sie Recht.
Was ist ein normaler, harmloser Schnupfen? Welche Art von Husten ist ansteckend? Welches Kind „hängt so drin,“ dass ihm der Trubel in der Kita nicht mehr zuzumuten ist? Hat das Kind Durchfall, weil es etwas Bestimmtes gegessen hat, oder haben wir es mit einem Magen-Darm-Virus zu tun?
Auf diese Fragen haben wir als pädagogisch ausgebildetes Personal keine abschließenden Antworten und müssen in jedem einzelnen Fall abwägen, was für das betreffende Kind, aber auch alle anderen, wohl am besten ist.
Eltern sind in der Regel auch keine medizinischen Fachkräfte und können daher genauso wenig verlässlich entscheiden, ob ihr Kind ansteckend ist und ob es dem Trubel des Kita-Alltags in seiner Verfassung gewachsen ist oder nicht. Die Entscheidung, ob ein Kind trotz Symptomen in der Kita gut aufgehoben ist, kann daher auch nicht die alleinige Entscheidung der Eltern sein.
Wie Sie es im obigen Zitat richtigerweise sagen, ist die Beurteilung des gesundheitlichen Zustandes Aufgabe eines Arztes. Damit müsste allerdings jedes Kind mit Symptomen ärztlich begutachtet werden. Das würde für Eltern und unser Gesundheitswesen einen großen Aufwand bedeuten und erscheint wenig praktikabel.
Es wird Eltern und Fachkräften nichts anderes übrigbleiben, als Tag für Tag in den Einrichtungen unsere Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zu leben und miteinander zu sprechen.
Kita-Fachkräfte wissen, dass Eltern unter Druck stehen. Erwerbstätigkeit und die Betreuung eines kranken Kindes sind nicht einfach unter einen Hut zu bekommen.
Kita-Fachkräfte erleben auch, wie ein Kind das andere ansteckt, was wiederum zur vermehrten Ansteckung unter dem Personal führt. Auch dann haben Eltern keine verlässliche Kita-Betreuung mehr, weil Betreuungszeiten gekürzt werden müssen.
Dies ist ein Dilemma, auf das unser modernes Arbeits- und Familienleben noch keine befriedigende politische Antwort gefunden hat.
- Wären weniger Kinder krank, wenn jedes Kind in der Kita mehr Raum zur Verfügung hätte und die Gruppen kleiner wären?
- Müssen Kitas personell so ausgestattet werden, dass die Betreuungszeiten auch bei Personalausfällen gewährleistet werden können?
- Helfen Luftfiltergeräte, die Krankheitsquote in Einrichtungen zu senken?
- Wie viele Kinderkrankentage braucht eine Familie wirklich, um ihre Kinder zu Hause betreuen zu können, wenn sie nicht fit sind?
- Wäre eine Familienarbeitszeit wünschenswert, mit der beide Eltern ganz selbstverständlich ihre Arbeitszeit reduzieren könnten, solange die Kinder klein sind?
Über diese Fragen müssen wir sprechen und uns für Veränderungen einsetzen.
Dafür sind sowohl der Kita-Fachkräfteverband als auch die STEAS, KEAS und LEAS die richtigen Gremien.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr KiTa-Fachkräfteverband RLP
Antwortmail des LEA Vorsitzenden RLP
Wir haben eine Antwort auf unsere Mail erhalten. Herr Winheller wies darauf hin, dass das Zitat vom 27.10. 20221 nicht aus einem aktuellen Interview mit dem SWR, sondern aus einem früheren, ausführlichen Gespräch über das „Schnupfenpapier“ stammen. Die Fälle hätten sich gehäuft, in denen Kindern von Fachkräften der Zutritt verwehrt wurde, weil sie noch Schnupfen hatten. (Zu) oft wurde gesagt, dass Kinder erst wieder die Kita besuchen dürften, wenn die Symptome abgeklungen seien.
Im gleichen Gespräch hatte Herr Winheller darauf hingewiesen, dass kranke Kinder selbstverständlich zuhause bleiben müssen und nicht die Kita besuchen können. In diesen Fällen sei es richtig, dass Kinder abgeholt werden müssen.
Der LEA Vorsitzende stimmt unseren Bewertungen zu arbeits- und familienrechtlichen Handlungsbedarfen zu und findet es wichtig, politische Lösungen für die Rahmenbedingungen zu schaffen.