Corona in der KiTa: Ein Interview

Kristin Starck-Fürsicht ist KiTa-Leitung und stellvertretende Vorsitzende des KiTa-Fachkräfteverbands RLP. Ihre Einrichtung war nun zum zweiten Mal von Corona betroffen. Der Kita-Fachkräfteverband hat folgendes Gespräch mit ihr geführt:


Kristin, in welchem Zeitraum kam es zu den beiden Schließungen deiner Einrichtung und wer war betroffen?

Leider hat es uns als Einrichtung nun das zweite Mal innerhalb eines halben Jahres erwischt. Wir befinden uns erneut in der Quarantäne und haben eine Kitaschließung. Zum zweiten Mal war ein KiTa-Kind infiziert. Auch bereits die erste Kitaschließung wurde durch die Entdeckung einer Infektion bei zweien unserer Kinder ausgelöst.

Wie ging es euch, als ihr zum ersten Mal erfahren habt, dass ein Kind infiziert ist und welche Maßnahmen wurden getroffen?

Damals wurden wir alle vor Ort vom Gesundheitsamt getestet. Diese Erfahrung hat einen nachhaltigen Eindruck bei uns hinterlassen. Wir haben gesehen, wie die jüngsten Kinder getestet wurden und sich teilweise wirklich schwertaten. Auch die hilfesuchenden Blicke der Eltern waren nicht zu übersehen und gingen uns nach. Wir haben uns ohnmächtig gefühlt und waren nicht körperlich, aber seelisch sehr erschöpft. Wir hätten Eltern und Kindern diese Prozedur gerne erspart.  Es wurde wie am Fließband getestet, ohne eine Spur von Privatsphäre. Alle zitterten ein ganzes Wochenende lang und warteten auf das Testergebnis, ob sie mit betroffen waren. Dann kamen die ersten Rückmeldungen, und Hoffnung keimte auf. Das Ergebnis war bei allen negativ. Dadurch hofften wir schon, am Ende der darauffolgenden Woche wieder am Start zu sein. Doch dienstags gab es einen Rückschlag. Eines der Kinder wurde beim zweiten Test, der auf Grund von Symptomen wiederholt wurde, positiv getestet. Ein weiteres Kind wurde positiv getestet, obwohl es symptomfrei war. Ohne das Untersuchen der ganzen Kita wäre dieses Kind nie aufgefallen. Somit wären wir normal im Regelbetrieb wieder gestartet und hätten auch weiter Eingewöhnungen usw. vorgenommen. Das Virus hätte sich unbemerkt ausbreiten können.

Dank der umfassenden Testungen konnten wir mit Sicherheit feststellen, wer betroffen war. Im Nachhinein sagen wir alle: „Da haben wir wirklich Glück gehabt.“ Die damalige Entscheidung und das Krisenmanagement des Gesundheitsamtes stufen wir bis heute als vernünftig und zielführend ein. Wir waren für das schnelle Handeln sehr dankbar und haben uns gut aufgehoben gefühlt.

Und wie lief es bei dem aktuellen Infektionsfall und der Schließung deiner KiTa?

Nun, bei unserem neuen Fall wurde nicht wieder vor Ort getestet. Wir Pädagogen mussten uns selbst organisieren und zum Arzt gehen. Manche Ärzte testeten uns ohne Probleme, bei anderen musste das Schreiben vom Gesundheitsamt vorgelesen werden. Da wir alle Kontakt zu dem betroffenen Kind gehabt hatten, konnte bei uns eine Ansteckung laut Gesundheitsamt nicht ausgeschlossen werden. Dadurch sind wir teils durch Überweisung und teils durch das Schreiben des Amtes an eine Teststelle weitergeleitet worden. Wir hatten somit für uns recht schnell wieder Gewissheit. Das war für uns als Team wichtig, denn jeder von uns lebt mit anderen Menschen zusammen und möchte niemanden anstecken.

Bei unseren Kitakindern lief es diesmal sehr unterschiedlich. Manche Kinderärzte reagierten direkt und überwiesen die Kinder zum Test.  Andere sagten: „Ohne Symptome gibt es keinen Test.“ Selbst wenn dieses Kind direkten Kontakt zu dem positiv getesteten Kind hatte. Auch Kinder mit einem Erkältungssymptom, das schon vor der Meldung des Infektionsfalls bestand, hatten es schwer einen Test zu erhalten.

Wie kamen die Familien in dieser Situation zurecht?

Ohne Testung der Kinder hatten die Eltern keine Sicherheit, ob ihr Kind infiziert war und ob es in der Quarantänezeit andere Familienmitglieder anstecken würde.  Viele Fragen von Seiten der Eltern kamen auf. Teilweise konnten wir dank der Kita-App und unseres Diensthandys weiter mit den Familien Kontakt halten.

Wie ging es dir als Leitung und deinem Team in der Quarantänezeit?

Auf Kinderlisten und Tagesdaten konnte ich nicht mehr zugreifen, da sie in der Kita lagen und nicht in digitaler Form vorlagen. Daher konnte davon nichts von zuhause aus bearbeitet werden. Somit musste ich mir die Unterlagen anderweitig besorgen oder auf nächste Woche vertrösten. Mein Team und ich mussten auf Rückmeldungen warten, wann wir definitiv wieder arbeiten dürfen. Dieses „in der Luft hängen“ verunsichert natürlich. Auch an uns als eingespieltem Team geht das nicht spurlos vorüber. Mit Galgenhumor sagten wir bisher immer: “ Corona hänge ich beim Betreten der Kita an den Zaun und nehme es erst abends wieder mit.“

Welche Belastungen entstehen durch die Unsicherheit, dass jederzeit wieder Fälle auftreten können?  Wie verkraftet ihr den Kita-Alltag unter Pandemiebedingungen?

Die immer wieder kurzzeitigen Änderungen und neuen Regelungen sind für uns alle belastend. Immer wieder wird behauptet, dass das Virus vom Kita-Personal aus dem Privatbereich in die Kita getragen würde, in der Einrichtung aber so gut wie keine Infektionen stattfänden. Dieser Vorwurf sitzt tief. Einige Erzieher*innen haben Familienangehörige aus Risikogruppen oder haben selbst ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. Sie treffen nur in der Kita Menschen und leben zu Hause sehr isoliert. Da Kinder kaum getestet werden, ist die Behauptung, dass die Pädagogen das Virus in die Kita tragen, nicht nachprüfbar. Mittlerweile setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch Kinder das Virus verbreiten, und zwar unbemerkt, da sie selten Symptome zeigen. Unsere Berufsgruppe ist überdurchschnittlich häufig von Infektionen betroffen.  Angst ist ein gefährlicher Begleiter und löst in jedem etwas anderes aus oder äußert sich auch anders. Wir können Kinderärzte nicht verstehen, die im Verdachtsfall nicht testen. Dies wäre doch zum Schutze aller.

Wie wirken sich die Beschränkungen aufgrund von Corona auf das Miteinander in der Kita aus?

Wir alle lieben unseren Beruf und haben wirklich tolle Kinder und Eltern. Alle arbeiten Hand in Hand zusammen. Dennoch haben wir manche Kinder seit ca. zwei Monaten nicht mehr gesehen und können nur anrufen, um zu sehen, ob alles ok ist. Ein intensiverer Kontakt oder eine Begleitung ist nicht möglich, da wir den aktuellen Regelbetrieb, in dem ca.40% der Kinder unter Corona-Bedingungen betreut werden, stemmen müssen. Zusätzlich fällt bei uns immer wieder Personal aus, welches seine Kinder in der Schule nicht betreuen lassen möchte oder kann oder die Kinderkrankentage in Anspruch nimmt. Daher haben wir auch beim Personal nicht die übliche Kontinuität. Das ist für alle eine Herausforderung.

Was wünschst du dir, damit die Kitas durch die Krise kommen?

Ich wünsche mir, dass unsere Landesregierung die Probleme in den Kitas ernstnimmt. Die Pandemie dauert nun schon ein Jahr. Ich habe nicht den Eindruck, dass aus Fehlern gelernt wird. Immer noch gibt es keine längerfristigen Konzepte. Das Infektionsgeschehen und die Gefahr für das Personal werden immer noch verharmlost. Es gäbe Möglichkeiten, den Infektionsschutz zu verbessern.  Augen zu und durch ist keine Option, wenn es um Menschenleben geht!!!

Wir brauchen in allen Bereichen endlich eine Perspektive und wollen nicht einfach so weitermachen, als wäre das alles kein Problem. In unserem Beruf müssen wir mit einem gewissen Infektionsrisiko leben. Es ist jedoch nicht zu viel verlangt, dass man uns den Schutz gibt, der möglich ist, anstatt das Risiko klein zu reden.

Wie geht es jetzt bei euch in der Kita weiter?

Wir hoffen einfach, dass wir auch diesmal wieder mit einem blauen Auge davongekommen sind und dass wir weiterhin ohne große Ausbrüche durch die Pandemie kommen. Gute Infektionsschutzkonzepte würden uns dabei sehr helfen.

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Kristin!

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