Unser Verband war am Samstag zur Elterndemo in Ludwigshafen eingeladen. Unsere Vorsitzende Claudia Theobald durfte auch einen Redebeitrag beisteuern. Den Text dazu findet ihr hier:
Liebe Eltern, liebe Fachkräfte, sehr geehrte Kita-Akteure der Stadt Ludwigshafen, sehr geehrte Politiker*innen der Kommune des Landes oder des Bundes,
unser Kita-System ist komplex. Eine Verantwortungsgemeinschaft aus Bund-Land, Kommunen und Trägern hat gemeinsam die Aufgabe, das Recht eines jeden Kindes ab einem Jahr auf Betreuung, Erziehung und Förderung zu verwirklichen.
Inwieweit ist das gelungen? Stand heute ist: Es gibt nicht genügend Kita-Plätze und einen gravierenden Fachkräftemangel. Genauso schlecht ist es um die Kita-Qualität bestellt. Wir betreuen viele Kinder auf engstem Raum mit zu wenig Personal. Es gibt deutschlandweit keine Frühpädagogin und keinen Erziehungswissenschaftler, welche die Rahmenbedingungen in unseren Kitas für kindgerecht halten. Das Wort „Massenkinderhaltung“ beschreibt zugegebenermaßen drastisch die Zustände in unseren Kitas.
Eltern und Fachkräfte machen immer wieder die frustrierende Erfahrung, dass die finanzielle Verantwortung für ein funktionierendes Kita-System von oben nach unten durchgereicht wird. Die immer größer werdenden Probleme landen dann auf dem Rücken der Fachkräfte, der Eltern und nicht zuletzt der Kinder.
Unser Kita-System kollabiert. In Ludwigshafen ist die Situation besonders dramatisch.
Wenn nicht alle Teile der Verantwortungsgemeinschaft mehr tun als bisher, wird sich die Abwärtsspirale weiterdrehen.
Ja, eine ganztägige Betreuung und Förderung junger Kinder kostet viel Geld. Sie ist aber in einer modernen Arbeitswelt und für die Zukunft unserer Gesellschaft unverzichtbar.
Liebe Eltern, 2013 Jahren hat der Bund das Recht auf Kita-Betreuung, Bildung und Förderung für Kinder ab einem Jahr gesetzlich festgeschrieben. Aus Sicht des Bundes war das eine familienpolitische Maßnahme, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist von wirtschaftlichem Interesse und von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Eine weitere Aufgabe der Bundesregierung ist es, Chancengleichheit für Kinder in allen Bundesländern zu schaffen. Deshalb trägt im föderalen System auch der Bund eine große Verantwortung für unsere Kitas.
Bildung ist Ländersache, auch im frühkindlichen Bereich. Das Land trägt die Verantwortung, kindgerechte Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Mindeststandards an eine gute personelle Ausstattung und räumliche Anforderungen wurden bereits vor Jahren formuliert. Es ist Aufgabe des Landes, sie gesetzlich festzuschreiben und dafür zu sorgen, dass sie umgesetzt werden. Das Land trägt außerdem die Verantwortung, so viele Fachkräfte auszubilden, wie die Kitas brauchen, um alle personellen Bedarfe zu decken.
Der Bau und der Betrieb von Kitas sind kommunale Pflichtaufgabe. Die Kommunen sind zuständig, dem Bedarf entsprechend Kita-Plätze zu schaffen und Kitas zu betreiben. An den vielen fehlenden Plätzen sieht man, dass diese Aufgabe nicht ernst genug genommen wurde.
Liebe Verantwortungsgemeinschaft. So wie bisher kann es nicht weitergehen. Rechtsansprüche sind nichts wert, wenn sie nicht quantitativ und qualitativ umgesetzt werden. Jeder von euch sagt, er tue bereits viel in Sachen Kita. Das mag sein, aber offensichtlich tut ihr nicht genug. Wenn ihr davon überzeugt seid, dass Kinder das Wichtigste sind, was wir haben, müsst Ihr die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen. Die heutige Kita-Betreuung ist weder bedarfs-noch kindgerecht.
Fangt heute an (oder spätestens am Montag), dem Thema die erforderliche Priorität einzuräumen!
Heute demonstrieren Eltern und Fachkräfte in Ludwigshafen. Die Stadt kann die Probleme des Kita-Systems nicht allein lösen. In Zeiten des Fachkräftemangels kann sie aber konsequent und engagiert das Ziel verfolgen, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.
Was wären Gründe für Erzieher*innen, sich in einer Ludwigshafener Kita zu bewerben? Was erwarten Kita-Fachkräfte von einem guten Arbeitgeber?
Sorgen Sie dafür, dass die Maßnahmen- oder Notfallpläne in Ihren Kitas konsequent umgesetzt werden, um die Aufsichtspflicht und das Kindeswohl zu gewährleisten. Damit schützen Sie die Kinder und Ihr Personal.
Stellen Sie sicher, dass Personalausfälle durch Urlaub, Krankheit und Fortbildung in Kitas konsequent vertreten werden oder berücksichtigen Sie diese Fehlzeiten direkt in Ihrer Personalplanung. Dadurch verhindern Sie, dass ständig Betreuungszeiten gekürzt werden müssen. Ein Kita-Alltag ohne verlässliche Betreuungszeiten und ein Dienstplan, der täglich Kinder und Erzieher*innen hin und her schiebt, belastet Kinder, Fachkräfte und Eltern.
Die vorgeschriebenen Leitungsdeputate im neuen Kita-Gesetz sind völlig unzureichend. Tun Sie hier mehr als das Nötigste. Stellen Sie Ihre Leitungen frei, damit sie ihren vielfältigen Aufgaben gerecht werden können.
Entlasten Sie die Fachkräfte, indem Sie zusätzliche Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte einstellen. Dann haben die pädagogischen Fachkräfte mehr Zeit für die Kinder und ihre pädagogischen Aufgaben.
Verankern Sie verbindliche Vor- und Nachbereitungszeiten für Ihre Kita-Fachkräfte in den Dienstplänen. Das macht die Arbeit planbarer und nimmt Stress.
Stärken Sie Ihre Kita-Teams, indem Sie Zeit und Geld für Teamfortbildungen zur Verfügung stellen.
Sorgen Sie für Kitas mit guter räumlicher Ausstattung. Lärmschutzdecken müssen in allen Kitas selbstverständlich sein. Nicht nur für Erzieherinnen, sondern auch für Kinder ist ein dauerhaft hoher Lärmpegel gesundheitsgefährdend.
Wenn in Gruppenräumen gegessen und in Bewegungsräumen geschlafen werden muss, belastet dies Erzieher*innen und Kinder stark. Kitas mit gesonderten Speise- und Schlafräumen wären ein gutes Argument, sich als Kita-Fachkraft in Ludwigshafen zu bewerben.
Schaffen Sie attraktive Arbeitsbedingungen und machen Sie damit gezielt Werbung. Gute Bedingungen werden sich schnell herumsprechen und Fachkräfte anlocken.
Die genannten Maßnahmen helfen nicht nur, Erzieher*innen zu gewinnen, sondern auch, Fachkräfte im Berufsfeld zu halten. Wer im Arbeitsalltag nicht unter Dauerstress steht, wird nicht so schnell vorzeitig in Rente gehen oder das Berufsfeld Kita verlassen.
Jetzt komme ich zum Thema Ausbildung: Bieten Sie allen geeigneten Bewerbern einen vergüteten Ausbildungsplatz in ihren Einrichtungen an. an. Es darf nicht sein, dass in Zeiten eines gravierenden Fachkräftemangels geeignete Personen abgewiesen werden.
Tun Sie auf kommunaler Ebene alles, was in Ihrer Macht steht, und bleiben sie hartnäckig und beharrlich mit den Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene im Gespräch. Sie alle stehen in der Verantwortung. Geben Sie keine Ruhe, bis endlich die Finanzierung eines bedarfs -und kindgerechten Kita-Systems steht.
Kitas sind systemrelevant. Die Zukunft des Landes beginnt in der Kita.
Der SWR berichtet ebenfalls: