Interview mit drei Fachkräften für Sprachbildung aus dem Donnersbergkreis

Kerrit Lücke ist Erzieherin und Heilpädagogin. Sie hat auch eine familientherapeutische Ausbildung. Seit 2019 arbeitet sie als Fachkraft für Sprachbildung in der „Sprach-Kita Unteres Münstertal“ in Münsterappel.

Diana Pobucky arbeitet als Fachkraft für Sprachbildung in der „Sprach-Kita Rappelkiste“ in Bischheim. Vor ihrer Tätigkeit in der Kita war sie Krankenpflegerin auf einer interdisziplinären Station. Dort wurden Patienten therapeutisch betreut, die ihre Sprache verloren hatten und wieder neu sprechen lernen mussten.

Antje Albrecht arbeitete von 2017 an als zusätzliche Fachkraft Sprachbildung bis aktuell seit Mai 2022 als Fachkraft für Sprachbildung in der „Sprach-Kita Villa Kunterbunt“ in Kirchheim-Bolanden. Davor war sie seit 2011 als Sprachförderkraft auf Honorarbasis in mehreren Kitas tätig. Im September 2021 absolvierte sie mit Erfolg die Weiterbildung zum Coach für soziale Berufe / Pädagogencoach.

Die Leitungen und zusätzlichen Fachkräfte der Sprach-Kitas im Donnersbergkreis erkannten früh, dass ein Zusammenschluss der Kitas vor Ort vorteilhaft für alle wäre. So entstand schon vor einigen Jahren ein Netzwerk mit regelmäßigen Arbeitstreffen, zu dem auch A. Albrecht, D. Pobucky und K. Lücke gehören.

Zu Beginn geben unsere drei Interviewpartnerinnen einen Überblick über ihre Tätigkeit als Fachkräfte für Sprachbildung:

Die Konzepte der Sprachförderung und der Sprachbildung unterscheiden sich. Sprachförderkräfte des Landes RLP arbeiteten mit den Kita-Kindern in Kleingruppen oder boten Einzelförderung an.

Das Sprach-Kita Programm des Bundes „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ verfolgt einen anderen Ansatz. Die Weiterbildung zur Sprachbildungskraft hat den Schwerpunkt der alltagsintegrierten Sprachbildung. Sprachbildungskräfte werden zusätzlich zum regulären Stellenschlüssel in Kitas eingesetzt, die am Bundesprogramm Sprach-Kita teilnehmen.

Als zusätzliche Kräfte coachen, begleiten und stärken sie kontinuierlich das Kita-Team, damit alltagsintegrierte Sprachbildung, die Zusammenarbeit mit Familien und inklusive Pädagogik, sowie Digitalisierung weiterentwickelt wird.

Fachkräfte für Sprachbildung

  • haben schwerpunktmäßig den Auftrag, Impulse zu den Themen alltagsintegrierte Sprachbildung, Zusammenarbeit mit den Familien, Inklusion/Teilhabe in die Teams zu tragen
  • dienen den Kita-Fachkräften als Sprach-Modelle, indem sie im Alltag bewusst Interaktionen mit Kindern gestalten, viele Aktionen und Materialien anbieten, die Sprachanlässe für die Kinder schaffen, zum Beispiel Geschichten mittels eines Kamishibais (Erzähltheater) darzubieten.
  • geben Kita-Fachkräften Feedback über ihre sprachliche Interaktion mit den Kindern und begleiten Kolleginnen und Kollegen, ihre Kompetenzen hinsichtlich der alltagsintegrierten Sprachbildung zu verbessern.
  • unterstützen Familien, deren Kinder Sprachauffälligkeiten haben und bringen damit das Thema Inklusion in ihrer Kita voran.
  • unterstützen die Teams bei der Entwicklung und Reflexion von Konzepten, um Kindern die Teilhabe an Entscheidungsprozessen in der Kita zu ermöglichen

Das Konzept der Sprachförderung war eher defizitorientiert ausgerichtet. Kinder mit sprachlichen Entwicklungsverzögerungen oder Sprachauffälligkeiten wurden in Klein- und Kleinstgruppen gefördert.

Sprachbildung versteht sich dagegen als ressourcenorientiertes Konzept. Alle Kinder und Erwachsenen in der Kita machen mit. Jeder profitiert und niemand wird beschämt. Durch die Arbeit der Sprachbildungskräfte entsteht ein kontinuierlicher Prozess von Beobachtung, Feedback und Reflexion.

Vielen Dank für die kurze Darstellung Ihrer Tätigkeit. Es wird politisch heiß diskutiert, wie es für die Sprach-Kitas weitergeht, wenn das Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ ausläuft. Wenn Sprache alltagsintegriert gefördert wird, könnten die Sprachbildungskräfte als Kita-Fachkräfte innerhalb des Stellenschlüssels einer Kita beschäftigt werden und ihre Kompetenzen weiter mit einbringen, hört man teilweise von politischer Seite. Was halten Sie von dieser Idee?

Diana Pobucky:

„Die Stelle als Sprachbildungskraft war bisher eine Funktionsstelle, die zusätzlich zum regulären Stellenschlüssel der Kita bewilligt wurde. Als gelernte Krankenpflegerin mache ich meine Arbeit in der Kita als Quereinsteigerin. Wenn ich nach Auslaufen des Bundesprogramms in der Kita übernommen würde, bekäme ich das Gehalt einer ungelernten Hilfskraft (S2). Das wäre deutlich weniger Geld als ich jetzt als Sprachbildungsfachkraft bekomme. Als Mitarbeiterin innerhalb des Stellenschlüssels hätte ich keine Zeit mehr für meine Aufgaben als Sprachbildungsfachkraft. Beobachtung und Reflexion von Sprachbildungsprozessen sowie Coaching des Teams, Begleitung der Eltern und die kontinuierliche Sensibilisierung in Bezug auf Sprache und das Sprechen mit Kindern wären im regulären Gruppendienst nicht möglich. Ich kann diese Aufgaben nur wahrnehmen, weil meine Stelle zusätzlich im Rahmen des Programms Sprach-Kita gewährt wird. Im Laufe der Jahre habe ich zum Thema Sprachbildung viele neue Kompetenzen erworben.

Wenn das Bundesprogramm ausläuft, könnten die Bundesländer die Sprach-Kitas fortführen. Wie gehen die einzelnen Länder mit der Thematik um?

Diana Pobucky:

13 von 16 Bundesländern haben sich dazu ausgesprochen, das Programm weiter zu führen. Das würden wir uns auch für Rheinland-Pfalz wünschen.“

In Rheinland-Pfalz soll jede Kita nun eine Sprachbeauftragte benennen, die sich dann zum Thema fortbildet. Was halten Sie davon?

Kerrit Lücke:

„Die Weiterbildung zur Fachkraft für Sprachbildung war umfangreich. Obwohl ich bereits Erzieherin war, brauchte es ausreichend Zeit, um sich fit zu machen. Ich verstehe mich als Multiplikatorin in unserem Kita-Team und gebe sehr regelmäßig Impulse, zum Beispiel zur dialogfördernden Sprachkultur. Ich habe Zeit, meine Kompetenzen bei Teamtagen einzubringen und um die Gruppen im Alltag beim Thema Sprache zu unterstützen. Vor meiner Funktionsstelle als Fachkraft für Sprachbildung habe ich als Erzieherin gearbeitet. Ich weiß und erlebe, dass für meine jetzige Tätigkeit zusätzliche Zeit notwendig ist, die ich als reguläre Fachkraft nicht mehr hätte.“

Diana Pobucky:

Beim Bundesprogramm „Sprach-Kitas: „Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ erfolgen regelmäßige Fortbildungen und intensive fachliche Austauschrunden. Wir haben jährlich mindestens fünf Fortbildungstage, in denen wir uns dem Thema Sprachbildung widmen. Alle 6-8 Wochen finden Verbundtreffen statt, außerdem haben wir einen Arbeitskreis mit Fachberatung. Wir tauschen uns regelmäßig und fortlaufend aus, reflektieren und lernen Neues. Im Donnersbergkreis haben wir ein Netzwerk gegründet. All das kann nicht fortgeführt werden, wenn es in Zukunft keine Sprach-Kitas mehr gibt.

Antje Albrecht:

Meine Kita hat sich erst in diesem Jahr auf den Weg zur Sprach-Kita gemacht. Noch zu Beginn des Jahres 2022 wurde vom Bund für das Programm geworben und im Koalitionsvertrag die Weiterführung zugesichert. Grund genug für uns, hoch motiviert loszulegen. Ab September war vorerst klar, dass wir nur noch bis zum 31.12.22 zusammenarbeiten können. Das wirkte natürlich beeinflussend auf unser großes Engagement. Das, was wir gerade am Aufbauen sind, im Bereich Zusammenarbeit mit Familien und „Sprache und Musik“, konnte in dieser kurzen Zeit noch nicht etabliert werden – wäre nur noch „ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Um die Prinzipien und Strategien der Sprachbildung zu verinnerlichen, benötigt das Kita Team einen angemessenen Zeitrahmen. Erst dann können sich durch beständiges Trainieren von nachhaltigeren und wirkungsvoll sprachbildenden Sprech-Gewohnheiten im Kita-Alltag, durch kontinuierliche Beobachtung und Reflexion der Dialoghaltung gegenüber dem Kind die neuen Strukturen einrichten.

In RLP haben sich seit 2016 ca. 10% der Kitas zu Sprach-Kitas entwickelt. Das brauchte Zeit. Die Entwicklung in den Sprach-Kitas wird höchstwahrscheinlich ohne die zusätzlichen personellen Ressourcen und Rahmenbedingungen wieder rückläufig sein – die langjährig geschaffenen Formen einfach so aufgelöst werden.

Meine Ausbildung und langjährige Erfahrung als Sprachförderkraft hat mir als wertvolle Grundlage für die Arbeit in der Sprachbildung gedient. Regelmäßig konnten meine Kita-Leitung und ich seit 2017 an der hochwertigen Qualifizierung des Bundes für uns Sprach-Kita-Tandems teilnehmen und uns weiterentwickeln. Nur mit Übernahme dieses wertvollen Programms durch das Land RLP würde kostbares Potential und Fachwissen vieler Spezialisten / innen erhalten bleiben.

Es ist keine Alternative für mich als schlechter bezahlte Erzieherhelferin – ich bin auch als Quereinsteigerin gestartet – in den regulären Personalschlüssel meiner Kita übernommen zu werden. Wie Frau Lücke und Frau Pobucky schon betonten, können wir unsere jetzige umfangreiche und umfassende Arbeit mit dem Team und als Modell am Kind im Gruppendienst nur sehr eingeschränkt mit einbringen. Es würden dann – einfach mal so – viele Kompetenzen, die momentan intensiv in jeder Sprach-Kita genutzt werden, fortfallen.

Was würden Sie sich für die Zukunft Ihrer Kitas wünschen?

Kerrit Lücke:

„Das Programm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ war sehr erfolgreich. Das ist fachlich unbestritten. Warum knüpft man an diesem Erfolg nicht an und baut nach und nach alle Kitas zu Sprach-Kitas mit zusätzlichen Fachkräften für Sprachbildung aus? Davon hätten alle etwas. Die Kitas, die Kinder mit ihren Familien und die zusätzlichen Fachkräfte, die weiter auf ihren Stellen bleiben und ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen könnten. Solche Funktionsstellen, die spezielle Qualifizierungen erfordern, würden außerdem die Attraktivität des Erzieherberufes steigern. Das Konzept des Bundesprogramms umfasst viel mehr, als nur die sprachliche Bildung. Es dient der Qualitätsentwicklung und -sicherung der Arbeit in den Kitas. “

Antje Albrecht:

„Immer mehr Kita-Kinder haben einen Migrationshintergrund oder zeigen Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung.

Deshalb müssten in diesem Bereich weiterhin und stetig Mittel zur Verfügung gestellt werden, anstatt sie zu kürzen. Bewährte Strukturen, wie zum Beispiel unser Netzwerk im Donnersbergkreis müssten ausgebaut und erweitert werden – mindestens jedoch erhalten bleiben. Eine gute Sprachentwicklung ist erwiesen sehr wichtig für die weitere Bildungsbiografie der Kinder und schafft gleiche Chancen von Anfang an.

Und das Programm Sprach-Kita beinhaltet noch so viele weitere Facetten, die noch umgesetzt werden möchten.“

Diana Pobucky:

„Ein Kompromiss wäre für mich, dass man die Rolle der Fachkräfte für Sprachbildung als Multiplikatoren stärkt. Sie könnten ihre Kompetenzen mehreren Kitas zur Verfügung stellen und beispielsweise Materialien und Methoden zur alltagsintegrierten Sprachförderung einführen und Prozesse kontinuierlich begleiten.“

Kontaktadresse: sprachkitas@web.de

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Claudia Theobald

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