Die Kita-Fachkräfteverbände weisen auf Missstände im Kita-System hin. Sie machen öffentlich, wie weit der Kita-Alltag von den pädagogischen Mindeststandards an eine gute Kita-Qualität entfernt ist.
Regelmäßig begegnet uns in Diskussionen mit Kita-Akteuren folgendes Argument: „Natürlich wären bessere Rahmenbedingungen wünschenswert, aber unsere finanziellen Möglichkeiten oder vorgegebenen Strukturen lassen nur wenig Spielraum für Verbesserungen. Die Kitas müssen die Realität in den Einrichtungen annehmen und mit Kreativität und Flexibilität das Beste daraus machen. Wir sind in der Politik leider nicht bei „Wünsch dir was,“ sondern es geht um die knallharte Realität.“
Ist das so, liebe Politik, und handelst du selbst danach? Haben sich deine Bildungspolitiker und Finanzministerinnen in den vergangenen Jahren zuerst die Kita-Realität genau angeschaut? Hast du zuerst die Kita-Fachkräfte vor Ort und die Erkenntnisse der Frühpädagogik mit in Entscheidungsprozesse einbezogen? Wurden alle benötigten Ressourcen zur Verfügung gestellt und dann erst Rechtsansprüche formuliert und Gesetze verabschiedet?
Oder hat uns nicht gerade deine „Wünsch dir was“ Politik in die augenblickliche Kita- Misere gebracht?
Ja, eine bedarfsgerechte und bedürfnisorientierte Betreuung unserer Kinder ist wünschenswert und gesellschaftlich geboten. Im Sinne von „Wünsch dir was“ hast du deshalb, liebe Politik, der Wählergruppe der Eltern ein rosarotes Bild kindgerechter Kitas mit kompetenten Fachkräften, die Kinder ab dem Kleinkinderalter individuell in ihrer Entwicklung begleiten und fördern, vor Augen gemalt.
Wenn Fachkräfte, Frühpädagogen und Erziehungswissenschaftlerinnen dann die dafür notwendigen Personalschlüssel oder kindgerechte Räumlichkeiten einforderten, verwandelte sich das „Wünsch dir was“ augenblicklich in ein „So isses halt.“
Man müsse neue Anforderungen und Aufgaben auch mit vorhandenen Ressourcen umsetzen können, da die Lage angespannt und die Mittel begrenzt seien. Mit der richtigen inneren Haltung, neuen Konzepten, genügend Engagement und Flexibilität könne man jede „So isses halt“ Kita in ein rosarotes „Wünsch dir was“ Betreuungs- und Bildungsparadies verwandeln.
Jahrelang haben Kita-Fachkräfte genau das versucht. Auf Kosten einer bedürfnisorientierten Betreuung und guten frühkindlichen Bildung und zunehmend gegen ihr pädagogisches Gewissen. „Wir haben schon so viel möglich gemacht, dann schaffen wir auch das noch“ war das Credo der Fachkräfte auf jede neue Herausforderung. Mittlerweile kämpft der ehemalige Traumberuf mit den Folgen eines großen Fachkräftemangels. Immer mehr Kita-Fachkräfte wollen sich mit dem „So isses halt“ nicht mehr abfinden und suchen sich ganz im Sinne des „Wünsch dir was“ ein anderes berufliches Umfeld.
Die Schraube wurde überdreht und das Ende der Fahnenstange erreicht. Das Kita-Kind ist in den Brunnen gefallen.
Wir brauchen dringend auf allen Ebenen ein ehrliches „So isses halt.“ Aufgaben und Anforderungen können nur insoweit umgesetzt werden, wie Politik und Gesellschaft die notwendigen Mittel aufbringen und bereitstellen. Die kommenden Jahre bedürfen einer großen Kraftanstrengung, damit wir dem Ziel einer bedarfs- und kindgerechten Betreuung näherkommen. Aktuell kämpfen viele Kitas damit, überhaupt eine verlässliche Betreuung anbieten zu können.
Liebe Politik, das „Wünsch dir was“ immer neuer Rechtsansprüche solltest du erstmal auf Eis legen.
Komm mit, lass dich auf das „So isses halt“ des Kita-Alltags ein und sorge mit allen Kita-Akteuren zusammen Schritt für Schritt für kindgerechte Kindertagesstätten.