Offener Brief an den STEA Ludwigshafen

Sehr geehrte Damen und Herren des Stadtelternausschuss Ludwigshafen,

in einem Artikel der Rheinpfalz vom 2.5.22 bezeichnen Sie die Warnstreiks der Erzieher*innen als inakzeptabel.

Als Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbands RLP möchte ich Ihnen aufzeigen, was viele Kita-Fachkräfte in Bezug auf die Tarifauseinandersetzungen und Warnstreiks bewegt. Der heutige Zeitungsartikel hat in der Erziehercommunity für Gesprächsstoff gesorgt. Wir werden daher diese Mail als offenen Brief auf unseren Online-Seiten veröffentlichen.

Wir wünschen uns, dass Eltern und Erzieher*innen weniger übereinander als miteinander sprechen. Gerne ist der Kita-Fachkräfteverband zu einem Online-Meeting mit dem STEA Ludwigshafen bereit.

Nach zwei Jahren Pandemie, die viele Einschränkungen in den Kitas mit sich gebracht hat, sind Sie als Eltern verständlicherweise erschöpft und sehnen sich nach einer verlässlichen stabilen Betreuungssituation für Ihre Kita-Kinder.

Genauso geht es uns Erzieher*innen. Auch uns hat die Pandemie gebeutelt und viel abverlangt. Auch wir sehnen uns nach dem „normalen“ Kita-Alltag.

Die Tarifverhandlungen hätten regulär bereits vor zwei Jahren stattfinden sollen. Nur wegen der pandemischen Lage wurden die Verhandlungen so lange verschoben.

Die allermeisten Erzieher*innen wären froh, wenn bereits eine Einigung erzielt worden wäre, und damit auch das Thema Streik vom Tisch wäre.

Völlig unverständlich ist für uns die Aussage des VKA, dass Erzieher*in kein Mangelberuf sei und es keinen Fachkräftemangel gäbe. Ich glaube, das stößt auch bei Eltern auf Verwunderung. Als Vertretung der Ludwigshafener Eltern kennen Sie bestimmt viele Kitas, die unterbesetzt sind und keine Fachkräfte finden.

Zitat von der Homepage des VKA: „Die Gewerkschaften behaupten oftmals, der Kitabereich würde unter einem eklatanten Mangel an geeignetem Personal leiden. Den Angaben der Bundesagentur für Arbeit zufolge ist jedoch ein flächendeckender Engpass in der Kinderbetreuung nicht erkennbar.“

In dieser Tarifauseinandersetzung wird nicht nur über höhere Löhne, sondern auch über bessere Rahmenbedingungen verhandelt. Zum Beispiel geht es um die Forderung nach einer verbindlichen Vor- und Nachbereitungszeit für Erzieher*innen, die wir beispielsweise brauchen, um die Entwicklung der Kinder zu dokumentieren, päd. Angebote und auch Elterngespräche vor- und nachzubereiten.

Ich bin seit über 30 Jahren Erzieherin. Die Arbeit hat sich mittlerweile so verdichtet, dass eine bedürfnisorientierte Betreuung und gute frühkindliche Bildung nur noch sehr eingeschränkt leistbar sind.

Die Kitas brauchen dringend bessere Rahmenbedingungen. Ihre Kinder brauchen Erzieher*innen, die Zeit haben, sich emphatisch und geduldig zuzuwenden, die Entwicklung der Kinder zu begleiten und zu unterstützen. Wir brauchen Erzieher*innen, die ihrem Betreuungs- und Bildungsauftrag gerecht werden können und nicht dauergestresst sind oder resigniert sind, weil oft nur noch eine Verwahrung der Kinder möglich ist.

Gute Arbeitsbedingungen für Kita-Fachkräfte sind gute Rahmenbedingungen für Ihre Kinder. Unsere Berufsgruppe jammert nicht auf hohem Niveau. Die Betreuungsschlüssel und oft auch die räumlichen Voraussetzungen in unseren Kitas liegen weitab fachlicher Mindeststandards für eine kindgerechte Betreuung und Bildung. Der Kita-Fachkräfteverband hat dem VKA diese Problematik in einem offenen Brief  geschildert: https://kitafachkraefteverband-rlp.de/tarifrunde-2022-im-sozial-und-erziehungsdienst-stellungnahme-der-deutschen-kita-fachkraefteverbaende/. Das Antwortschreiben ging jedoch in keiner Weise auf die geschilderten Probleme ein, sondern versuchte, uns mit ein paar Allgemeinsätzen abzuspeisen.

Der gravierende Fachkräftemangel gefährdet langfristig eine verlässliche Kita-Betreuung. Aufnahmestopps und Einschränkungen der Öffnungszeiten sind mittlerweile vielerorts unvermeidbar. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen und zu verhindern, dass immer mehr Kräfte wegen der schlechten Rahmenbedingungen die Kitas verlassen, brauchen wir attraktivere Arbeitsbedingungen.

Ab dem Schuljahr 2025/ 26 tritt zusätzlich der Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung in der Grundschule in Kraft. Diese Betreuung soll nicht mit Lehrpersonal , sondern ebenfalls durch die Arbeit von Erzieher*innen gewährleistet werden.

Die nächsten Jahre werden in den Kitas schwierig und herausfordernd bleiben. Nicht nur Kinder, Eltern, Kita-Fachkräfte und Träger sind betroffen, unsere ganze Gesellschaft ist auf eine verlässliche Kinderbetreuung und Kitas, die gute Entwicklungschancen bieten, angewiesen. Deshalb ist es umso wichtiger, miteinander ins Gespräch zu gehen und gemeinsam Lösungen für die großen Baustellen des Kita-Systems zu suchen.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Theobald

(Vorsitzende Kita-Fachkräfteverband RLP)

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