Profilergänzende Kräfte in der KiTa: Sind Mitarbeiter*innen aus fachfremden Berufsgruppen eine Bereicherung?

Eines der großen Probleme in unseren KiTas ist der Fachkräftemangel. In vielen Einrichtungen ist es zur traurigen Normalität geworden, dass nicht alle Stellen besetzt werden können. In den nächsten Jahren wird sich das Problem voraussichtlich noch verschärfen.

Deshalb wurde die Fachkräftevereinbarung für die KiTas in RLP neu gefasst. 30% der Kräfte, die mit den Kindern arbeiten, dürfen nun assistenz- oder profilergänzende Kräfte sein. Menschen aus anderen Berufsfeldern werden laut der neuen Vereinbarung als Bereicherung für die KiTas gesehen, da sie Kindern und päd. Fachkräften einen Blick über den Tellerrand der KiTa hinaus in das „wahre Leben“ ermöglichen.

Da kommt mir sofort unser KiTa-Hausmeister in den Sinn. Wann immer auftaucht, beginnen Kinderaugen zu leuchten, und er ist von potenziellen Helfern umringt. Kinder schauen fasziniert, wenn unser Hausmeister sägt, bohrt, hämmert und schraubt. Wer ihm dann noch das Werkzeug reichen oder mittun darf, ist begeistert.

Menschen aus den verschiedensten Professionen könnten mit den Kindern spannende Projekte entwickeln und durchführen, wenn ihnen im KiTa-Alltag dafür Zeit und die entsprechende pädagogische Begleitung gewährt würde.

Das ist so aber nicht vorgesehen. Laut Fachkräftevereinbarung ersetzen profilergänzende Kräfte einen Teil der Fachkräfte. Was passiert also, wenn unser Hausmeister mein Kollege in der KiTa wird?

Er muss mich dann unterstützen, damit es im Alltag läuft. Er muss große Kindergruppen beaufsichtigen, die Kinder im Frühstücksbistro begleiten oder mit ihnen zu Mittag essen. Er muss wickeln oder nasse Hosen wechseln und soll auch mal den Morgenkreis leiten oder mit den Kindern im Turnraum turnen. Zeit zum Sägen, Hämmern, Bohren und Schrauben hat er dann so gut wie nicht mehr.

Kleingruppenarbeit ist ein Grundpfeiler der frühkindlichen Bildung, aber im KiTa-Alltag nur selten durchführbar. Die Personalschlüssel geben nicht her, dass eine Person mit ein paar wenigen Kindern zum Beispiel Musikinstrumente baut, spannende naturwissenschaftliche Experimente durchführt oder töpfert. Dafür habe ich als Erzieherin nur sehr selten Zeit, und genauso geht es dann meinem neuen Kollegen, der eigentlich Handwerker ist.

Die fachlichen Arbeiten, wie den Entwicklungsstand der Kinder zu beobachten, Vorbereitung und Durchführung von Elterngesprächen, Kontakt und Austausch mit Institutionen und Therapeuten, Planung der pädagogischen Arbeit und Angebote zur individuellen Förderung der Kinder usw. müssen dann von den verbliebenen 70% Fachkräften geleistet werden. Und das mit Personalschlüsseln, die keine verbindlich geregelten mittelbaren Arbeitszeiten für obengenannte Tätigkeiten beinhalten. Verfügungszeiten sind für Lehrer*innen selbstverständlich, nicht jedoch für KiTa-Fachkräfte. Soll also mein Kollege, der vorher Hausmeister war, die alleinige Verantwortung für die Aufsicht über eine große Kindergruppe übernehmen, damit ich mich zurückziehen kann, um alle fachlichen Arbeiten, die anfallen, zu erledigen?

Unser Hausmeister ist handwerklich gesehen ein Alleskönner, das bewundere ich sehr. Eine große Gruppe kleiner Menschen unterschiedlichen Alters aber so zu beaufsichtigen, dass alle miteinander zurechtkommen und jeder in ein Spiel findet, das ihn zufriedenstellt, davon hat er keine Ahnung, Er hat nicht gelernt, wie man einen Spielkreis für U3 Kinder gestaltet oder eine Kinderkonferenz leitet. Und Elternabende möchte er auch nicht ausarbeiten und durchführen, da bin ich mir sicher. Die fachliche Qualität in der KiTa wird deshalb leiden, wenn noch weniger Fachleute zur Verfügung stehen, das lässt sich nicht einfach schönreden.

Hätte ich unseren Hausmeister also gern in der KiTa, damit er seine beruflichen Fähigkeiten in die Arbeit mit den Kindern einbringt?

Ja, durchaus! Aber zusätzlich, in einer Art Projektstelle oder wenn ein Ausgleich geschaffen würde. Man könnte profilergänzende Kräfte zum Beispiel nur zu 50% auf den Stellenschlüssel anrechnen und die anderen 50% der Arbeitszeit zusätzlich gewähren. Das würde unserem Hausmeister und der Einrichtung zusätzliche Zeit verschaffen.

Damit bekäme er Zeit, das zu tun, was er viel besser kann als ich und wozu ich im KiTa-Alltag keine Zeit habe, nämlich sägen, hämmern, bohren und schrauben.

Claudia Theobald arbeitet als Erzieherin in der KiTa und ist Qualitätsbeauftragte ihrer Einrichtung

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