Starterklassen und Deutschtests für Vorschulkinder: Offener Brief an Herrn Baldauf (CDU)

Sehr geehrter Herr Baldauf,

als VERBAND KITA-FACHKRÄFTE RHEINLAND-PFALZ machen wir uns Gedanken über die Ideen der CDU zu Starterklassen und Deutschtests für Vorschulkinder.

Wie stellen Sie sich die konkrete Umsetzung dieser Starterklassen vor? Greifen Sie das frühere Konzept der Schulkindergärten auf, die in der Grundschule angesiedelt waren und wollen die Kinder dort in spielerischer Weise auf die Schule vorbereiteten? Oder schwebt Ihnen vor, dass die KiTas alle Vorschulkinder im letzten Jahr in einer Vorschulgruppe zusammenfassen und so den Gedanken der Vorschule in den Mittelpunkt stellen? 

Beiden Ideen begegnen wir als Kita-Fachkräfte aus der Praxis mit Skepsis. Die Schulkindergärten kämpften damals mit dem Problem, dass diese Klassen von einer Lehrperson in Schulklassenstärke betreut wurden und so gezielte individuelle Förderung oft nicht möglich war. Hier hätte es schon damals einen besseren Fachkraft-Kind Schlüssel gebraucht, um dem Förderbedarf einzelner Kinder gerecht zu werden. Es müsste also gut überlegt sein, welche Bedarfe hier vorliegen, bzw. wie man denen personell und räumlich gerecht werden könnte.                                                                     

Wenn Sie überlegen, extra Vorschulgruppen für alle in den Kitas einzurichten, widerspricht das den allermeisten KiTa-Konzeptionen, weil die deutschen Kindergärten seit mindestens 35 Jahren Kinder altersgemischt betreuen. Mittlerweile betreuen wir Kinder von 2-6 Jahren, oft auch von 1-6 Jahren. Das sind 4,5 Jahrgänge oder sogar 5,5 Jahrgänge. Nur große Kitas haben so viele Vorschulkinder, dass man sie in einer gesonderten Gruppe betreuen und fördern könnte.

Deutschtests für Vorschüler setzen zu spät an. Da wäre ein Sprachscreening im Alter von vier Jahren sinnvoller, das aufzeigt, ob die altersgemäße Sprachentwicklung im Rahmen ist. Hier gibt es Material, das auch für Erzieher*innen in den Kitas einfach anwendbar wäre, wenn sie die zeitlichen Ressourcen zur Durchführung bekämen. Bei Auffälligkeiten könnte dann ein Logopäde genauer hinschauen, testen und Förderungsmöglichkeiten aufzeigen oder bei mangelnden Deutschkenntnissen würde zusätzliche Förderung ermöglicht .

Unser Verband begrüßt, dass die CDU Probleme der frühkindlichen Bildung erkennt, benennt und nach Lösungen sucht. Dazu gehört auch die Förderung der Vorschulkinder und das Thema Sprachförderung. Leider lassen die aktuellen Rahmenbedingungen eine gute und individuelle Sprachförderung sowie gezielte und vor allem kontinuierliche Arbeit mit den Vorschulkindern oft nicht zu. Dies bedauern wir als KiTa-Fachkräfte sehr, da wir uns den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen des Landes verpflichtet fühlen und unserem Bildungsauftrag gerecht werden wollen. Das neue KiTa- Gesetz wird diese Problematik verschärfen, da die betreuungsintensive Mittagszeit Personal bindet, das dann weniger für päd. Angebote zur Verfügung steht. Wir bedauern auch sehr, dass im Zuge des neuen Gesetzes unsere zusätzlichen Sprachförderkräfte wegfallen, die das Land in den Jahren zuvor ausgebildet hat, damit sie die KiTas gezielt unterstützen.

Personalschlüssel und Gruppengrößen nach wissenschaftlichen Mindestanforderungen würden ihre Überlegungen überflüssig machen. In den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen des Landes Rheinland-Pfalz sind Vorschularbeit und Sprachförderung konzeptionell verankert, scheitern aber in der Praxis oft an den unzulänglichen Rahmenbedingungen, die weit weg von den Empfehlungen der Experten liegen. Die gemeinsame Betreuung und Förderung Kinder verschiedener Altersgruppen entspricht auch den Zielen der UN -Behindertenrechtskonvention, die Deutschland vor einigen Jahren ratifiziert und sich damit zur vollständigen Inklusion behinderter Menschen verpflichtet hat. Unter den aktuellen KiTa-Rahmenbedingungen mit wenig Personal und großen Gruppen stoßen wir hier leider schnell an Grenzen. Es ist daher umso wichtiger, dass wir uns in Rheinland-Pfalz Gedanken machen, wie gute Bildung und altersentsprechende Förderung in unseren KiTas gelingen kann.

Wenn Sie konkrete Überlegungen anstellen, wie man dieser Problematik begegnen kann, stehen wir Ihnen als VERBAND KITA-FACHKRÄFTE RHEINLAND-PFALZ gerne zur Verfügung. Getreu unserem Motto: DIE STIMME AUS DER PRAXIS, wissen wir, welche Ideen sich gut in der Praxis umsetzen lassen und was konkret nötig wäre, um gute Bildung, Betreuung und Erziehung für alle Kinder zu gewährleisten.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Theobald
vom VERBAND KITA-FACHKRÄFTE RHEINLAND-PFALZ

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